Anti-Doping-Gesetz

Meilenstein oder Totalpleite?

Der Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz wird von Politikern, Sportlern, Funktionären und Wissenschaftlern völlig unterschiedlich beurteilt.

Veröffentlicht:
Das Anti-Doping-Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

Das Anti-Doping-Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

© AllebaziB / fotolia.com

BERLIN. Die Initiatoren des geplanten Anti-Doping-Gesetzes nennen ihren Entwurf einen "Meilenstein", Kritiker wie der Molekularbiologe Werner Franke schlicht "Volksverarschung".

Nach Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Dänemark, Schweden, Griechenland und der Türkei verschärft nun auch Deutschland mit einem eigenen Gesetz die Sanktionen gegen Leistungsmanipulation im Spitzensport und schafft damit erstmals die Voraussetzung dafür, dass auch dopende Sportler strafrechtlich verfolgt werden können.

Der Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes, das vom Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht und das voraussichtlich noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, sieht für Athleten, die des Dopings überführt werden, eine Höchststrafe von bis zu drei Jahren Gefängnis vor.

Das ist eine deutliche Verschärfung zum bestehenden Arzneimittelgesetz, das Eigendoping strafrechtlich als Selbstschädigung betrachtet und damit nicht ahndet. Von der Neuregelung betroffen sind 7000 Kader-Athleten, die von der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) kontrolliert werden.

Zudem wird schon der Besitz von Dopingpräparaten unter Strafe gestellt, unabhängig von der Menge. Den Hintermännern drohen bei schweren Vergehen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.

Nada und Staatsanwaltschaften sollen enger kooperieren, indem sie beispielsweise Informationen über dopende Athleten und deren Hintermänner austauschen.

Ein bislang wenig beachteter Punkt: In der Packungsbeilage relevanter Arzneien soll künftig ein Hinweis stehen, dass "die Anwendung des Arzneimittels bei Dopingkontrollen zu positiven Ergebnissen führen" kann.

"Kampfansage an Doper"

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nannte das geplante Gesetz eine "Kampfansage an Doper".

Die Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) begrüßte zwar "die Initiative der Bundesregierung zu einem scharfen Anti-Doping-Gesetz", verlieh aber gleichzeitig ihrer Hoffnung Ausdruck, "dass der Deutsche Bundestag entsprechend den Zielstellungen im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien darin nichts beschließt, was die Funktionsfähigkeit der Sportgerichtsbarkeit gefährden oder schwächen könnte".

Das Dopingkontrollsystem der Nada und die "harten Sanktionen der Sportgerichtsbarkeit" seien "schneller und effektiver als die auf der Unschuldsvermutung aufbauenden staatlichen Strafandrohungen".

Auch der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, befürchtet durch das geplante Gesetz eine Aufweichung der Sportgerichtsbarkeit und damit gar eine Schwächung des Anti-Doping-Kampfes insgesamt.

Während er die strafrechtliche Verfolgung der Hintermänner (Händler, Beschaffer, Betreuer, Ärzte) ausdrücklich begrüßt, lehnt er die juristische Bestrafung dopender Athleten ab und begründet dies mit einem immanenten Widerspruch: Vom Gericht könne ein Sportler nur bestraft werden, wenn ihm Vorsatz zum Doping nachgewiesen werden könne, im Sport hingegen gelte die Beweislastumkehr, hier müsse ein Athlet bei positiver Dopingprobe seine Unschuld beweisen.

Das könne zu unterschiedlichen Urteilen und damit zu Schadenersatzforderungen von Sportlern führen, die ein Sportgericht zwar gesperrt, das staatliche Gericht dann aber jedoch freigesprochen habe.

Strafandrohung gegen Ärzte

Schärfere Kritik kam vom Heidelberger Molekularbiologen und Dopingbekämpfer Werner Franke. Er nannte die Gesetzesvorlage "entweder total dumm oder total hinterhältig", da sich das Gesetz nur gegen wenige gut verdienende Spitzensportler richte und die vielen dopenden Amateure und Freizeitsportler ausnehme.

Außerdem laufe die Strafandrohung gegen Ärzte völlig ins Leere, wenn sich jene auf ihre Schweigepflicht berufen könnten.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz hält das geplante Gesetz für verfassungswidrig, weil es einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Datenschutzgrundrecht der Sportler darstelle. (smi)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Hörsaalgeflüster

Südkorea: Klinikalltag im Ausland

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 23.07.201513:53 Uhr

Phantom "Doping"

Da sieht man mal, was bei einem Anti-Doping-Gesetzentwurf herauskommt, wenn offensichtlich unsportliche Politiker ein solches, Sportler permanent diskriminierendes und rundum strafbewehrtes "Regelwerk" schmieden (basteln).
Die betroffene Berufsgruppe wehrt sich zu Recht! Insbesondere, weil nicht nur die eigentlichen Kriminellen (Drogenhändler und dopende Mediziner oder Betreuer) strafverfolgt werden, sondern sogar durch das Phantom "Doping" irregeführte und geschädigte Sportler!!
Medizinisch gesehen, widerspricht dies einer jeden kausalen Therapie eines Krankheits-Geschehens.
Denken die abstimmenden "Volksvertreter" mal darüber nach, was die latente, gesetzliche Bedrohung der Hochleistungs-Athleten durch o.g. Gesetz für eine psychisch-demotivierende Auswirkung auf potentielle Olympia-Sieger haben kann?
Unsere Diskus-Rakete Robert Harting hat ja in diesem Zusammenhang schon realistisch auf mögliche Doping-Anschläge seitens Wettkampf-Konkurrenten hingewiesen...
Wie kann unter diesen deprimierenden Bedingungen Herr Dr. de Maiziere als Sportminister vom DOSB- Präsidenten fordern, wenigstens ein Drittel mehr an Medaillien für "D" zu bringen!
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Willkommenskultur

Neu im Team? Was Praxen beim Onboarding beachten sollten

Interview mit Leitlinien-Koordinator

Gonarthrose-Therapie: „Nur wenige Maßnahmen wirken“

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren