Vatikan

Mobile Arztpraxis versorgt Bedürftige auf dem Petersplatz

Der Petersplatz verwandelt sich abends zu einem Schlaflager: Unter den Kolonnaden suchen Obdachlose Schutz vor Kälte und Regen. In der Nähe gibt es temporär auch eine mobile Arztpraxis.

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Der Petersplatz, das Herz der Vatikanstadt, ist nicht nur Ort für die Heilige Messe. In diesen Tagen gibt es dort auch eine mobile Arztpraxis für Bedürftige – allerdings nur für eine Woche. (Archivbild)

Der Petersplatz, das Herz der Vatikanstadt, ist nicht nur Ort für die Heilige Messe. In diesen Tagen gibt es dort auch eine mobile Arztpraxis für Bedürftige – allerdings nur für eine Woche. (Archivbild)

© Andrew Medichini/AP/dpa

Vatikanstadt. Vorsichtig geht die ältere Dame mit Kopftuch durch die Absperrung. Mehrere Hilfskräfte sprechen sie an, fragen nach ihrem Anliegen. Sie lächelt schüchtern. Nein, fotografiert werden möchte die Frau am Stock nicht. Sie will medizinische Hilfe. Eine Woche lang können sich Menschen auf dem Petersplatz versorgen lassen. Das Angebot der vatikanischen Evangelisierungsbehörde ist vor allem für Obdachlose und Bedürftige gedacht. Denn für sie ist der Petersplatz oft Schlafplatz und mehr.

Zur Vorstellung der mobilen Arztpraxis am Donnerstag ist auch Erzbischof Rino Fisicella gekommen. Er steht vor den drei Wohnmobilen und blickt in die Runde. „Die Armen erlauben uns allen, das Wesentliche des Evangeliums zu sehen“, sagt der frühere Präsident des Rats für Neuevangelisierung. Seit der Kurienreform unter Papst Franziskus ist der Rat in der neuen Vatikanbehörde für die Verkündigung aufgegangen, Fisicellas Posten somit noch ungeklärt. Aber mit dem Projekt auf dem Petersplatz kennt er sich aus.

Kirche hilft rund um den Welttag der Armen

2016 rief Franziskus den katholischen Welttag der Armen ins Leben. Dieser wird jedes Jahr im November, exakt am zweiten Sonntag vor dem Advent, begangen. Rund um den Tag organisiert der Vatikan besondere Hilfen für Bedürftige. Darunter fallen etwa Nahrungsmittelpakete für Familien oder ein Mittagessen für Obdachlose. Und die mobile Arztversorgung. Nachdem coronabedingt nur eine abgespeckte Version organisiert werden konnte, gibt es in diesem Jahr wieder das volle Angebot – bis Sonntag.

Die ältere Dame ist bei der Anmeldung unter den Kolonnaden angekommen. Dort wird sie zu ihrem medizinischen Anliegen befragt. Dokumente muss sie keine vorlegen. Das ist das besondere der Praxis: Jeder kann kommen, ohne sich ausweisen zu müssen. Und ohne etwas bezahlen zu müssen.

Kardiologe hilft am Petersplatz statt in Äthiopien

„Wenn mir einer sagt, er heißt Boris, dann ist er eben Boris“, sagt Giuseppe Marinaro. Der pensionierte Notfallmediziner und Herzspezialist ist in diesem Jahr erstmals dabei. Sein Einsatz läuft über die Organisation CUAMM – Ärzte für Afrika. Mit dem Hilfswerk reist er jedes Jahr nach Äthiopien. An diesem Novembertag steht er indes auf dem Petersplatz und wartet mit seinen Kollegen auf Patienten – von 8 bis 19 Uhr.
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„Es kommen etwa 20 bis 25 Personen pro Tag“, berichtet Marinaro. Die Hälfte komme für eine kurze allgemeine Untersuchung und Blutabnahme. Die zweite Hälfte werde weitergehend untersucht. Hierfür gebe es in zwei Wohnmobilen etwa ein EKG, Blutdruckmessgeräte sowie verschiedene Testmöglichkeiten auf Infektionskrankheiten, darunter COVID-19, aber auch HIV oder Tuberkulose. Außer CUAMM beteiligen sich noch einige römische Kliniken, das Rote Kreuz und Ärzteverbände.

Behandlung kann in der Klinik weiterlaufen

Wenn in der mobilen Praxis die Behandlung nicht abgeschlossen ist, werden die Betroffenen an ein römisches Krankenhaus weiterverwiesen. Das kläre er dann vorher telefonisch ab, sagt Marinaro. „Gestern hatte ich einen Patienten mit einer Zahnentzündung, dem ich ein Antibiotikum gegeben habe, aber letztlich brauchte er einen Zahnarzt.“ Auch im Krankenhaus müssen die Betroffenen sich nicht ausweisen und nichts bezahlen. Zu diesem Zweck erhalten sie eine temporäre Gesundheitskarte.

Nicht nur Bedürftige nutzen das Angebot. Auch Touristen verirrten sich in das kleine mobile Arztzentrum. „Wir weisen niemanden ab“, sagt Marinaro. Doch es gehe um jene, die sonst keine medizinische Betreuung in Anspruch nehmen könnten. Laut Caritas leben in Italien 5,6 Millionen Menschen in Armut. Und davon sollen allein in Rom laut Schätzungen 20.000 auf der Straße leben. (KNA)

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