Homo sapiens

Moderner Mensch verließ Afrika früher als gedacht

Altersrekord: Forscher haben circa etwa 180.000 Jahre alte Überreste eines frühen Menschen in Vorderasien entdeckt. Doch es gibt Anzeichen, dass unsere Vorfahren Afrika sogar noch früher verlassen haben.

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Wann ist der moderne Mensch aus Afrika ausgewandert? Wohlmöglich sogar noch vor 200.000 Jahren.

Wann ist der moderne Mensch aus Afrika ausgewandert? Wohlmöglich sogar noch vor 200.000 Jahren.

© Floki Fotos / stock.adobe.com

TEL AVIV. Der moderne Mensch hat Afrika mindestens 50.000 Jahre früher verlassen als bisher gedacht. Das schließen Forscher aus den bislang ältesten bekannten Überresten eines Homo sapiens außerhalb Afrikas: Sie fanden in Israel einen Teil eines Oberkiefers und acht Zähne, die sie auf ein Alter von etwa 180.000 Jahren datierten.

Der Knochen und die Zähne stammen aus der Misliya-Höhle im Karmelgebirge, etwa zwölf Kilometer südlich der Hafenstadt Haifa. Die Wissenschaftler um Israel Hershkovitz von der Universität in Tel Aviv berichten darüber im Fachmagazin "Science".

Der Fundort liegt nur knapp zehn Kilometer entfernt von der Skhul-Höhle; dort waren in den 1930er-Jahren die bisher ältesten bekannten Überreste eines modernen Menschen außerhalb Afrikas entdeckt worden. Sie sind vor 20 Jahren auf ein Alter von 90.000 bis 120.000 Jahren datiert worden.

300.000 Jahre Homo sapiens?

Nach bisheriger Lehrmeinung entstand der Homo sapiens vor etwa 300.000 Jahren in Afrika und wanderte vor rund 100.000 Jahren aus Afrika aus. Jüngere Genanalysen deuteten jedoch schon auf eine erheblich frühere Auswanderung hin.

Das Alter des aktuellen Funds aus der Misliya-Höhle bestimmten die Forscher mit drei verschiedenen Datierungsmethoden: Zwar erbrachte die sogenannte U-Series-Datierung eines Zahnstückes nur ein Alter von etwa 70 000 Jahren – dies betrachten die Wissenschaftler als unterste Altersgrenze. Doch drei weitere Untersuchungen mit unterschiedlichen Methoden und in verschiedenen Laboren ergaben weitgehend übereinstimmende Ergebnisse: ein Alter zwischen 177.000 und 194.000 Jahren.

Merkmale des modernen Menschen

Zähne und Kieferknochen des Misliya-1 genannten Fossils wiesen sowohl Merkmale von modernen Menschen als auch von anderen Menschenarten, etwa dem Neandertaler, auf. "Eine der Herausforderungen in dieser Studie bestand darin, Merkmale in Misliya-1 zu identifizieren, die nur in modernen Menschen zu finden sind", sagte Co-Autor Rolf Quam von der Binghamton University (USA).

Die Forscher fanden die eindeutig modernen Kennzeichen bei den Schneidezähnen und dem Eckzahn. Die Backenzähne hingegen sehen teilweise vormodern aus.

In einem Kommentar, ebenfalls in "Science", bekräftigen Chris Stringer und Julia Galway-Witham vom Natural History Museum in London: "Die Kombination der Merkmale ist charakteristisch für Homo sapiens."

Auch Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hält die Befunde zum Alter von Misliya-1 für überzeugend. "Ich bin sehr froh über diese Studie", betont Hublin. Die Untersuchung stütze seine Auffassung, dass Gruppen von Homo sapiens zu unterschiedlichen Zeiten aus Afrika ausgewandert sind.

"Hellauf begeistert"

Als fraglich sieht er jedoch die von den Studienautoren geäußerte Vermutung an, die Levalloistechnik zur Steinbearbeitung sei mit dem Auftauchen des modernen Menschen in der Zeit der Misliya-Menschen verbunden.

"Hellauf begeistert" von der Studie ist Madelaine Böhme von der Universität Tübingen. Sie zeige erneut die Bedeutung des Mittelmeerraums für die Evolution des Homo sapiens. Die abweichende U-Series-Datierung fällt für sie nicht ins Gewicht, da sie auf Veränderungen des Zahnstücks nach seiner Versteinerung zurückgeführt werden könne.

Zugleich kündigt sie an: "Das ist noch lange nicht das Ende!" Sie erwartet für die nächste Zeit weitere spannende Datierungsergebnisse.

Auch die israelischen Forscher gehen von weiteren ähnlichen Funden aus, zumal die Auswanderung aus Afrika nach älteren genetischen Analysen vermutlich schon vor weit mehr als 200 000 Jahren erfolgt sei, schreiben sie in der Studie. (dpa)

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