Ausstellung

Pflanze als Freund, Feind und Helfer

Ob für medizinische Zwecke, als Schutz vor Dieben und Einbrechern oder als Grundnahrungsmittel: Den vielfältigen Aspekten von Pflanzen widmet das Dresdner Hygienemuseum eine eigene Ausstellung.

Von Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Projekt ökologischer Feldbau: Ein Rentner bei der Bestellung des Ackers „The Good Earth“ Andreas Weinand

Projekt ökologischer Feldbau: Ein Rentner bei der Bestellung des Ackers „The Good Earth“ Andreas Weinand

© Andreas Weinand

Dresden. „Stalins Rache“ soll er sein. Gemeint ist der Riesenbärenklau, der aus dem Kaukasus stammt, sich auch in Deutschland ausbreitete und dessen Pflanzensaft giftig ist. Er ist ein Beispiel für invasive Arten, die auch in Regionen wachsen, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren.

Uwe Starfinger, Biologe am Julius-Kühn-Institut Braunschweig, weist darauf hin, dass es durch Pflanzenwanderungen immer mehr Kosmopoliten unter den Pflanzen gebe und dass eine globale Homogenisierung der Pflanzenwelt befürchtet werde. Viele der als invasiv geltenden Pflanzen würden zunächst absichtlich eingeführt und auch heute noch absichtlich genutzt. „Stalins Rache“, der Riesenbärenklau, zum Beispiel war anfangs eine begehrte exotische Zierpflanze.

Invasive Arten sind nur ein Aspekt der Ausstellung „Von Pflanzen und Menschen“, die im Deutschen Hygienemuseum in Dresden noch bis zum 19. April 2020 zu sehen ist und die im Untertitel verspricht, zu „einem Streifzug über den grünen Planeten“ einzuladen.

Ergrünen schlecht fürs Klima

Beim Klimawandel kommen invasive Arten wieder ins Spiel. Matthias Forkel, Geograf und Geoinformatiker an der Technischen Universität Wien, schätzt im Begleitbuch zur Ausstellung ein, dass sich invasive Arten wegen der Erderwärmung durch „menschliche Unterstützung rasant ausbreiten“ könnten.

„Wir müssen also davon ausgehen, dass sich unsere Ökosysteme an den Klimawandel anpassen können, aber sie werden vermutlich hinsichtlich ihrer Artenzusammensetzung anders aussehen als heute“, ergänzt er. Bei der Auswertung von Satellitenbildern der vergangenen 30 Jahre sah Forkel, dass der „Klimawandel in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit schon sichtbare Spuren in Ökosystemen hinterlassen“ habe.

„Der Klimawandel sorgt in vielen Regionen dafür, dass die Winter immer wärmer und kürzer werden und die Pflanzen im Frühjahr eher zu wachsen beginnen“, fügt Forkel an.

Von Pflanzen und Menschen

  • Deutsches Hygiene-Museum Lingnerplatz 1, Dresden
  • Ausstellung:noch bis zum 19. April 2020, Mo. bis Frei. 10 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr.
  • Eintritt:Kinder bis 16 Jahre frei, mit Ermäßigungsberechtigung : 4 Euro, Erwachsene 9 Euro, Familienkarte 14 Euro.

Mehr Informationen unter: https://www.dhmd.de/ausstellungen/von-pflanzen-und-menschen/

Für den Norden von Alaska, Kanada und Sibirien hat das verstärkte Wachstum von Pflanzen durch den Klimawandel wiederum negative Auswirkungen auf das Klima: Die mit Sträuchern und kleinen Bäumen bewachsenen Erdoberflächen nehmen mehr Sonnenstrahlung auf und erwärmen sich schneller als zuvor, als es nur Flechten, Moose und Gräser gab: Dadurch verläuft die Erderwärmung noch rasanter. „Das Ergrünen der Erde in den letzten 30 Jahren ist also nicht unbedingt eine gute Nachricht für das Klima“, schätzte Forkel ein.

Die Pflanze mit dem Namen Dieffenbachia seguine kann man als Zimmerpflanze in Europa und Nordamerika kaufen, eigentlich ist sie aber in Südamerika heimisch. Dort, also etwa in Brasilien, wird sie meistens in die Nähe von Hauseingängen gepflanzt. Sie werde dazu eingesetzt, um das Zuhause vor Dieben und Einbrechern zu schützen, wie Nicholas C. Kawa, Ethnologe an der Ohio State University, im Ausstellungsbuch sagt.

Pflanze, die schweigsam macht

Sie wird auf Deutsch auch „Schweigrohr“ genannt. Das liegt an einem der Inhaltsstoffe der Blätter, Calciumoxalat: Dieser führt zu Verletzungen im Mundraum und dazu, dass das Sprachvermögen ernsthaft beschädigt werden kann. Die Nationalsozialisten experimentierten mit der Pflanze, um Menschen „unerwünschter Rassen“ unfruchtbar zu machen.

Für den Ethnologen Kawa ist die Pflanzenart ein Beispiel dafür, dass Pflanzen nicht nur instrumentalisiert werden, um zwischenmenschlichen Neid zu beheben oder Schlangen von Menschen fernzuhalten. Er beobachtete außerdem, dass in einer Region wie dem ländlichen Amazonasgebiet, wo es so gut wie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gibt, das Wissen über bestimmte Wirkungen von Pflanzenarten besonders stark ausgeprägt ist – und hier deutlich stärker bei Frauen als bei Männern.

In der Amazonasregion ist etwa Cachorrinho verbreitet, die „Hündchenpflanze“. Es soll gut für verheiratete Männer sein, diese Pflanze in der Nähe ihrer Häuser zu haben. Das hat seinen Grund darin, dass in diesem Gebiet Südamerikas eheliche Untreue eine große Sorge bei Paaren ist und die Hündchenpflanze ein Zeichen sein kann, wenn man seine Zweifel an der Treue seiner Partnerin oder seines Partner ausdrücken will und sie außerdem untreuen Partnern als Mahnung dienen soll.

Zucht rund um die Kartoffeln

Ein Beispiel für eine Pflanze mit ganz bestimmten Eigenschaften, die stark gewünscht sind, ist die Kartoffelsorte Adretta. Sie wurde im Institut für Pflanzenzüchtung in Groß Lüsewitz in der damaligen DDR gezüchtet. Adretta entstand, weil eine robuste und verlässliche Sorte gesucht wurde.

In Westeuropa wurden damals vor allem Sorten gezüchtet, die für die Stickstoffdüngung und den Einsatz von Pestiziden geeignet waren, zum Beispiel Bintje und Russet Burbank. Sie brachten hohe Erträge, waren aber auch krankheitsanfällig. Adretta schaffte es nach der Friedlichen Revolution zwar nicht auf den gesamt-deutschen Markt, wird aber weiter in Osteuropa angebaut.

Ihre Knollen werden in den Haushalten und Märkten der Datschenbauern weitergegeben. „Ihre zahlreichen Fans preisen dabei vor allem ihre Verlässlichkeit, ihren Geschmack und ihre Kocheigenschaften“, weiß Asa Sonjasdotter, Gründungsprofessorin der Akademie für zeitgenössische Kunst in Tromso in Norwegen.

Für das Überleben von Kartoffelsorten ist es wichtig, dass sie jedes Jahr gepflanzt werden, denn Kartoffelknollen können in der Regel nur eine Saison gelagert werden.

Gala als Trojanisches Pferd

Eine andere Sorte, die nach der Wiedervereinigung in Groß Lüsewitz gezüchtet worden ist, hat sich zu einer der beliebtesten Sorten auf dem europäischen Markt entwickelt: Gala. „Wie ein Trojanisches Pferd hat Gala robuste Eigenschaften aus der Planwirtschaft in den kapitalistischen Markt eingeschmuggelt“, findet Sonjasdotter.

Gala werde von den Landwirten sehr geschätzt, weil sie ihnen helfe, Geld zu sparen, das sie zuvor für chemische Dünger und Pestizide ausgegeben hätten, und sie so weniger Zeit auf dem Traktor verbringen müssten.

Das Grundgesetz beginnt gleich in Artikel eins mit der Würde des Menschen, die unantastbar sei. Die Schweizer Bundesverfassung hingegen kennt nicht nur die Würde von Menschen, sondern auch von Pflanzen.

Denn seit 1992 ist in der Schweiz in der Verfassung von der Würde der Kreatur die Rede, wozu neben Menschen und Tieren ausdrücklich auch Pflanzen gehören. „Das ist einmalig“, weiß die Biologin und Chemikerin Florianne Koechlin.

Mehr Rechte für Pflanzen?

Sie erinnert daran, dass Tiere lange Zeit als seelenlose Maschinen betrachtet worden seien, und es lange gedauert habe, bis klar war, dass Tiere keine Dinge seien und dass sie eine Würde hätten.

„Die Diskussion um die Würde von Pflanzen ist meilenweit von diesem Punkt entfernt.“ Koechlin berichtet davon, wie sie der von 2004 bis 2008 der Eidgenössischen Ethikkommission für Biotechnologie im Außerhumanbereich angehörte, die im Auftrag des Bundesrats der Schweiz herausfinden, was der Begriff Würde auf Pflanzen bezogen bedeuten könnte.

„Zum Schluss einigten wir uns darauf, dass Pflanzen nicht aus reiner Willkür geschädigt werden dürfen“, erinnert sie sich. „Eine mutwillige Verletzung oder Zerstörung von Pflanzen widerspricht deren Würde.“ Allerdings seien sich die Mitglieder der Ethikkommission uneins gewesen, wie die Bedeutung von „willkürlich“ in Bezug auf Pflanzen auszusehen habe.

„Für einige war es das willkürliche Köpfen eines Löwenzahns am Wegesrand ohne vernünftigen Grund, für andere wie mich die totale und massive Verindustrialisierung und Instrumentalisierung von Pflanzen.“

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