Schlafforschung

"Schlaf-Apps sind kontraproduktiv"

Schlafmangel macht krank, dumm und dick. Schlafforscher Jürgen Zulley wundert sich deshalb darüber, dass der Mittagsschlaf in Deutschland keinen höheren Stellenwert hat.

Von Irena Güttel Veröffentlicht:
Wird die Qualität der Nachtruhe mit einer Handy-App kontrolliert, kann das zu zusätzlichem Stress führen.

Wird die Qualität der Nachtruhe mit einer Handy-App kontrolliert, kann das zu zusätzlichem Stress führen.

© monkeybusinessimages/iStock

BREMEN.Schlaf ist immer ein Thema. "Hast Du gut geschlafen?" – das ist oft die erste Frage am Morgen. Auch in der Kunst sind Schlafende seit jeher ein beliebtes Motiv. Der Stellenwert von Schlaf sei kulturell oft ganz unterschiedlich, sagt der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley.

Immer wieder macht er mit schlafbezogenen Forderungen auf sich aufmerksam. So steht der 71-Jährige der Sommerzeit kritisch gegenüber und fordert einen späteren Schulanfang. Zulley ist Professor für Biologische Psychologie an der Universität Regensburg. Bis zu seinem Ruhestand leitete er das Schlafmedizinische Zentrum am Universitäts- und Bezirksklinikum Regensburg.

In Asien sei es selbstverständlich, tagsüber zu schlafen, sagt Zulley. In Deutschland gelte der Mittagsschlaf eher als unproduktiv. Mythen und Wissenswertes im Überblick:

Wie ist es um unseren Schlaf bestellt? In Deutschland schlafen die Menschen ziemlich genau sieben Stunden, sagt Jürgen Zulley – "von 23.04 Uhr bis 6.18 Uhr mit einer Viertelstunde Einschlafzeit. Das haben wir in einer großen, repräsentativen Untersuchung festgestellt." Diese Schlafdauer sei seit sehr langer Zeit üblich. Die Dauer sage aber wenig über den Erholungswert des Schlafes.

Wann ist Schlaf erholsam?

"Auf jeden Fall nicht, wenn man abends vor dem Einschlafen noch am Smartphone und dem Tablet herumspielt", so Zulley. Die Anspannung reduziere die Schlafqualität. Nötig seien bestimmte Anteile von Schlafstadien in der Nacht: "Erholung bekommt man nur im Tiefschlaf. Den hat man immer nur in den ersten vier bis fünf Stunden. Wir sollten auch möglichst wenig längere Unterbrechungen des Schlafes haben und die persönliche Schlafdauer einhalten. Die hat man erreicht, wenn man sich am Tag überwiegend fit und ausgeschlafen fühlt."

Wieso ist es wichtig, gut zu schlafen? Schlaf ist ein aktiver Erholungsprozess, sagt der Experte. "Nach außen sieht es zwar wie ein Ruhezustand aus, ist es aber nicht!" Was die Hirnaktivität betreffe, sei der Mensch im Schlaf teilweise wacher als im Wachzustand. "Alle Prozesse, die für Regeneration sorgen, werden aktiviert. Nur im Tiefschlaf wird zum Beispiel ein Wachstumshormon ausgeschüttet, das für die Zellerneuerung und den Fettabbau sorgt. Und alles, was wir am Tag gelernt haben, wird in der Nacht abgespeichert."

Wer viel schläft, ist also gar nicht faul?

Das sei genau der große Irrtum, meint Zulley. Gesunder Schlaf sei eine Voraussetzung für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. "Bei uns gilt Schlaf oft als etwas Negatives. Die Einstellung ändert sich aber langsam. Vor 30, 40 Jahren galt man noch als Penner, wenn man am Tage schlief." Der eigentlich wichtige Mittagsschlaf habe als unproduktiv gegolten. Im Zuge eines verstärkten Gesundheitsbewusstseins erhalte Schlaf nun aber zunehmend einen anderen Stellenwert.

Können Apps und Schlafmessgeräte unseren Schlaf optimieren?

Mit dererlei Programmen messe man nicht den Schlaf, sondern Bewegung. Daraus könne man nur grob schlussfolgern, wie lange und wie gut man geschlafen habe, betont Zulley: "Das Gerät kann nicht unterscheiden, ob man ruhig wach im Bett liegt oder sich im Tiefschlaf befindet. Ich halte diesen Hype für kontraproduktiv." Man wisse, dass eine Fixierung auf den Schlaf – wozu das ständige Kontrollieren zweifellos führe – das Risiko für Schlafstörungen erhöhe. "Und seinen Schlaf", sagt der Forscher, "kann man mit den Aufzeichnungen auch gar nicht verbessern." (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau