Kosovo-Krieg

Sexualisierte Kriegsgewalt hat gravierende Langzeitfolgen

Eine Studie der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale verdeutlicht, dass Überlebende von Kriegsvergewaltigungen auch nach Jahrzehnten noch unter den psychischen und physischen Folgen leiden.

Veröffentlicht:
Monika Hauser, Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Frauenrechtsorganisation medica mondiale: „Noch immer haben die Gewalterfahrungen des Kosovo-Krieges enorme Auswirkungen auf die Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt, auf ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes.“

Monika Hauser, Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Frauenrechtsorganisation medica mondiale: „Noch immer haben die Gewalterfahrungen des Kosovo-Krieges enorme Auswirkungen auf die Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt, auf ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes.“

© Lang, Langenberg/medica mondial

Köln. Opfer sexualisierter Kriegsgewalt leiden auch Jahrzehnte später noch unter den psychischen und physischen Folgen der traumatisierenden Erlebnisse. Das zeigt eine Studie der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale in Köln und ihrer bosnischen Partnerorganisation Medica Gjakova.

Einbezogen in die Untersuchung waren 200 Überlebende von Kriegs-Vergewaltigungen während des Kosovokriegs, der von 1997 bis 1999 dauerte. Der allergrößte Teil der Teilnehmenden waren Frauen, es waren aber auch neun Männer einbezogen. Sie alle sind von Medica Gjakova unterstützt worden. Die bei den Frauen und Männern im Jahr 2022 erfolgte Datenerhebung wurde durch 20 qualitative Interviews ergänzt. Die Studie ist nicht repräsentativ.

87 Prozent der Teilnehmenden waren auch anderen potenziell traumatisieren Ereignissen ausgesetzt, fast 50 Prozent hatten sexualisierte Gewalt mit ansehen müssen.

96 Prozent mit einer klinischen Depression

Laut der Untersuchung erfüllen 73 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kriterien zur Diagnose einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, 13 Prozent die einer einfachen posttraumatischen Belastungsstörung. 96 Prozent leiden an einer klinischen Depression. 30 Prozent hatten in der Woche vor der Befragung Selbstmordgedanken, über 50 Prozent haben Selbstverletzungsgedanken. 70 Prozent haben das Gefühl, ihr Leben sei nicht mehr lebenswert.

48 Prozent der Frauen und Männer empfinden ihren Gesundheitszustand als schlecht, nur sechs Prozent als gut. 86,5 Prozent leiden unter Kopfschmerzen, 83,5 Prozent unter Müdigkeit, 80,5 Prozent haben Nackenschmerzen, 76,5 Prozent Rückenschmerzen. Häufig sind auch Bluthochdruck (63,5 Prozent) und Verdauungsprobleme (51,5 Prozent). 93 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, regelmäßig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nicht alle körperlichen Beschwerden sind direkte Folgen von sexualisierter Kriegsgewalt, erläutert Medica Mondiale. „Der chronisch negative Zustand der Überlebenden kann jedoch als anhaltender traumatischer Prozess interpretiert werden, der sich fortsetzt, weil die gesundheitlichen Probleme die Überlebenden ständig an das Geschehene erinnern.“

Zu den psychischen und physischen Folgen der Vergewaltigungen kommen soziale folgen. Da sexualisierte Gewalt weiterhin ein Tabuthema ist, würden die Überlebenden oft gesellschaftlich stigmatisiert und ausgegrenzt, erläutert die Organisation.

Untersuchung steht exemplarisch für andere Regionen

„Noch immer haben die Gewalterfahrungen des Kosovo-Krieges enorme Auswirkungen auf die Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt, auf ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes“, betont die Gynäkologin Monika Hauser, Gründerin und Vorständin von Medica Mondiale. Dennoch gebe es weiterhin erhebliche Forschungslücken und kaum unabhängige oder staatliche Stellen, die sich des Themas annehmen, bemängelt sie.

Die Untersuchung aus dem Kosovo steht nach Angaben von Hauser exemplarisch für andere Konflikt- und Postkonfliktregionen weltweit. (iss)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kriminalität

Lebenslange Haft in Folterprozess gegen syrischen Arzt

Nachruf

Eckart Fiedler – ein Leben für die Selbstverwaltung

Ärztin widmete ihr Leben der Versorgung von Obdachlosen

Engel von Ostbahnhof: Jenny De la Torre gestorben

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

© [M] LASZLO / stock.adobe.com

Komplementinhibition bei generalisierter Myasthenia gravis

Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Abb. 1: Freisetzung von Neurofilamenten aus geschädigtem Axon

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Serum-Neurofilament-Leichtketten: Nutzen für die Praxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Körperliche Aktivität

Gegen chronische Kreuzschmerzen hilft Gehen – und zwar täglich

Sichere Therapie

Gicht: Wer bekommt gefährliche Allopurinol-Nebenwirkungen?

Lesetipps
Eine Person balanciert auf einem Grad.

© RFBSIP / stock.adobe.com

Große Datenbankanalyse

Schwindel als mögliches Warnsignal für Alzheimer

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

© Porträt: Antje Boysen / DEGAM | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung