Vergewaltigung - das Trauma bleibt

Im Krieg gibt es nur Verlierer. Vor allem Frauen werden schnell Opfer - nicht zuletzt durch Vergewaltigung. Die deutsche Ärztin Dr. Monika Hauser hilft diesen Frauen. Jetzt sprach sie über ihre Erlebnisse - auch am Beispiel des Bosnienkrieges.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Frau in Srebrenica: Während des Massakers wurden tausende Frauen vergewaltigt.

Frau in Srebrenica: Während des Massakers wurden tausende Frauen vergewaltigt.

© David Turnley / ANP / dpa

ERLANGEN. "Wenn ich das Wort Vergewaltigung höre, ist es, als ob einer meinen Namen ruft", vertraute eine Frau aus Srebrenica, die während des Bosnienkriegs mehrfach geschändet wurde, der deutschen Ärztin Dr. Monika Hauser an.

Über das häufig jahre- oder jahrzehntelange Martyrium vergewaltigter Frauen sprach die Kölner Gynäkologin beim IV. Internationalen Kongress "Medizin und Gewissen", zu dem die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) kürzlich nach Erlangen eingeladen hatte.

Monika Hauser ist Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, die sich weltweit für Frauen und Mädchen einsetzt, welche in Kriegsgebieten sexualisierte Gewalt erlebt haben.

1993 errichtete Hauser in Bosnien das Frauentherapiezentrum Medica Zenica, setzte ihre Arbeit zunächst im Kosovo, in Afghanistan sowie in vielen anderen Ländern wie beispielsweise Liberia, Kongo und Ruanda fort.

Das Patriarchat dominiert den Krieg

Seit 2000 ist die 1959 geborene Ärztin Geschäftsführerin von medica mondiale und engagiert sich in dieser Eigenschaft auch für eine gesellschaftliche Enttabuisierung des Themas, um die weltweite Öffentlichkeit für das Leid sexualisierter Kriegsopfer zu sensibilisieren.

Hauser hat viele Ehrungen erhalten, darunter 2008 den Alternativen Nobelpreis. Vergewaltigungen im Krieg verfolgten vor allem zwei Ziele, so Hauser: Frauen zu erniedrigen und die Feinde zu demoralisieren.

"Dahinter steht die patriarchalische Vorstellung, dass die Ehre der Männer mit der Reinheit ihrer Frauen verknüpft ist", sagte die Ärztin in Erlangen.

Viele Opfer verschwiegen, was ihnen angetan wurde, um Repressionen ihrer Familien und Dorfgemeinschaften zu vermeiden. "Auf diese Weise erfahren sie niemals Gerechtigkeit."

Dabei litten nicht nur sie unter den Folgen. "Ein psychisches Trauma", so Hauser, "zerstört das Gefühl von Sicherheit bis in die nächste Generation." Denn ihre Angst geben die vergewaltigten Frauen an ihre Kinder weiter - ein Teufelskreis.

Zähes Ringen in Afghanistan

Die Mitarbeiter von medica mondiale schulen Ärztinnen, Hebammen und auch Rechtsanwältinnen darin, Anzeichen von sexualisierter Gewalt zu erkennen. Traumatisierte Frauen litten unter hohem Stress.

Betroffene klagten über dauerhafte Spannungsschmerzen im Nacken, in den Armen und in den Beinen, über Krämpfe und Lähmungserscheinungen.

In einem Klima alltäglicher Gewalt seien Flashbacks die Regel. Viele Frauen verstummten.

Seit zehn Jahren sind Monika Hauser und ihre Kolleginnen in Afghanistan tätig. Der Beginn ihrer Arbeit sei extrem schwierig gewesen.

"Es hat Jahre gebraucht, um eine psychosoziale Beratung vergewaltigter Frauen direkt in den Kliniken durchzusetzen", berichtete die Gynäkologin, auch eigene, abgeschlossene Räume für Therapie-Gespräche seien anfangs verweigert worden.

Hauser ist Europäerin des Jahres 2011

"Dass es heute in afghanischen Kliniken Zimmer mit der Aufschrift ‚Beratungsraum für Patientinnen‘ gibt, ist ein Politikum", sagte Hauser mit Hinweis auf die patriarchalische Gesellschaftsstruktur des Landes.

"Inzwischen jedoch reden sogar die Mullahs öffentlich über Gewalt gegen Frauen."

Öffentlichkeit herzustellen sei die Grundvoraussetzung für die Verfolgung der Täter, so Hauser. Obwohl viele Opfer bei einer Anklage die Rache ihrer Peiniger fürchten müssten, sei die Bereitschaft, vor Gericht auszusagen, in vielen Ländern gewachsen.

Auch auf andere Erfolge konnte die vom Magazin Reader's Digest zur "Europäerin des Jahres 2011" gekürte Ärztin in ihrem Vortrag verweisen.

So gebe es in Indien mittlerweile lokale Schiedsgerichte, die Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen innerhalb der Dorfgemeinschaften verhandelten.

Aufarbeitung erreicht auch die Männer

In Afghanistan habe die Thematisierung der gegen Frauen gerichteten Gewalt zudem viele Männer animiert, erstmals über ihre eigenen Ängste und Traumata angesichts des Jahrzehnte währenden Kriegs zu sprechen.

Mit der UN-Resolution 1325, verabschiedet am 31. Oktober 2000, sollten Frauen und Mädchen in Konfliktsituationen geschützt und ihre Rolle bei Friedensverhandlungen sowie beim Wiederaufbau gestärkt werden.

Die von dem damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan geforderten Nationalen Aktionspläne zur Resolution seien jedoch nur von knapp zwei Dutzend Staaten, darunter zehn EU-Ländern, umgesetzt worden, bemängelt medica mondiale. Deutschland sei nicht darunter.

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