Was die Schädel der Kelten verraten

Im Mannheimer Museum der Weltkulturen wird seit vielen Jahren fleißig an Mumien geforscht. 300 Schädel aus verschiedenen Museen werden jetzt für eine Ausstellung im Herbst vorbereitet.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Eine Schädelmaske aus der Mittellatenezeit (3. Jh. v. Chr.). Original: links, Replik: rechts.

Eine Schädelmaske aus der Mittellatenezeit (3. Jh. v. Chr.). Original: links, Replik: rechts.

© Jean Christen / Reiss-Engelhorn-Museen

MANNHEIM. Der Totenkopf samt zwei überkreuzten Knochen ist nicht nur ein Symbol für Piraten der Karibik oder Fans des Fußballclubs St. Pauli - Kopf und Schädel spielen in der gesamten Kulturgeschichte der Menschen eine Rolle.

Wissenschaftler der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim bereiten derzeit eine Ausstellung zum Thema Schädelkult vor. Ihre Forschungen rücken keltische Köpfe - dank neuer Hightech-Methoden - in ein völlig neues Licht.

Kurator Dr. Wilfried Rosendahl mit Mitarbeiterinnen bei der Vorbereitung der Ausstellung "Schädelkult" in Mannheim.

Kurator Dr. Wilfried Rosendahl mit Mitarbeiterinnen bei der Vorbereitung der Ausstellung "Schädelkult" in Mannheim.

© Jean Christen / Reiss-Engelhorn-Museen

Die Museen sind Sitz eines weltweiten Mumienforschungsprojektes. Dr. Wilfried Rosendahl und sein Team haben seit 1994 etwa 40 Mumien aus Instituten und Museen aus ganz Europa untersucht, um so mehr über vergangene Zeiten und Kulturen zu erfahren.

Für die vom 2. Oktober 2011 bis 29. April 2012 im Mannheimer Museum der Weltkulturen geplante Ausstellung tragen sie mehr als 300 Schädel aus verschiedenen Museen zusammen und machen sie zum Forschungsobjekt.

Wo wurden sie gefunden? Welchen Kult haben die Menschen mit ihnen betrieben? Dies sind die Fragen, denen die Wissenschaftler nachgehen. Zudem gehen sie neue Wege bei der Konservierung.

"Die Originale sind heilige Kühe für unsere Museumskollegen", sagt Wilfried Rosendahl. Es seien fragile Stücke, jede Reise könne ihre Zerstörung bedeuten. Zwei der am besten erhaltenen keltischen Schädelfunde aus der Region Koblenz hat er bereits untersucht. Dazu kamen die guten Stücke in den Computertomographen des Uniklinikums Mannheim.

Dessen Röntgenröhren kreisten mit einer Geschwindigkeit von drei Mal pro Sekunde um die Funde. "Die dabei gewonnenen Daten dienen als Grundlage für unsere Untersuchungen", sagt Rosendahl. Er arbeitet mit Wissenschaftlern aus ganz Deutschland zusammen.

Die Freiburger Professorin Ursula Wittwer-Backofen hat die Daten beispielsweise benutzt, um das Gesicht eines Kelten zu rekonstruieren, der im 3. Jahrhundert vor Christus in der Region Koblenz gelebt hatte und dessen Schädel vermutlich dem Ahnenkult diente. "Früher machten wir das plastisch", erzählt sie. Heute geschehe die Rekonstruktion in 3D, errechnet aus Mittelwerten.

Sie arbeitet dazu mit einer Datenbank, die der des Bundeskriminalamtes ähnelt. "Wir setzen das Gesicht aus 30 bis 60 Ursprungsgesichtern zusammen."

In mehreren Arbeitsschritten, wie bei einem Puzzle, setzte sie das Gesicht eines männlichen Kelten zusammen: Mit engem Augenabstand und markanter Nase. "Wenn Sie ihm ein T-Shirt und eine Jeans anziehen, würde er im heutigen Straßenbild nicht auffallen." Um die Originale zu kopieren, nutzen die Wissenschaftler ein 3D-Scanning, das Textur, Kontur und Farbe der Schädel erfasst.

Ein 3D-Druckverfahren ermöglicht schließlich die Herstellung einer Kopie. "Ein Streifenlichtscanner mit zwei Kameras liefert unserem Computer die Daten", erklärt Dieter Welsch, Geschäftsführer von Scyteq, einem in Cochem an der Mosel angesiedeltem Technikunternehmen, das sich auf die Herstellung von Repliken aus archäologischen Funden und Kunstobjekten spezialisiert hat.

Eine Art Tintenstrahldrucker baut dann - um die dritte Dimension erweitert - mehrere 0,8 Millimeter dünne Schichten in einem Gipsbett zu einem dreidimensionalen und farbigen Objekt auf. "Dazu wird Tinte zusammen mit einem Bindemittel aufgetragen", sagt Welsch. Schicht für Schicht werde so verklebt. Zum Abschluss müsse der Schädel noch mit einer Art Sekundenkleber ausgehärtet werden.

Nach sechs bis acht Stunden ist die Kopie fertig. "Das Original bleibt heil und kann für DNA-Untersuchungen genutzt werden", freut sich Rosendahl. Die Kopien könnten hingegen auch mal etwas härter angefasst werden.

Bislang haben die Forscher unter anderem herausgefunden, dass die Kelten in der Zeit vom 7. Jahrhundert vor Christus bis zum 1. Jahrhundert nach Christus Schädelfragmente als Amulette trugen und Köpfe besiegter Feinde gerne auch mit Nägeln durchbohrten und am Hausbalken zur Schau stellten.

Weit verbreitet waren Darstellungen des menschlichen Kopfes auch auf Dingen des täglichen Lebens wie Münzen und Metallarbeiten.

Die Faszination hat sich bis in die Gegenwart gehalten: Wer durch die Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser spaziert, findet Totenschädel-Symbole auf Bleistiftspitzern, Reisekoffern, Halstüchern und Notizblöcken.

Diesen Trend nutzen auch die Ausstellungsmacher. Einem Teil der Flyer ist ein zuckriger Totenkopf-Lolli beigelegt. Vorbild ist Mexiko: Dort sind diese Süßigkeiten Bestandteil des Dia de los Muertos, des Tag der Toten, an dem die Menschen ihrer Verstorbenen gedenken.

www.schaedelkult.de

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