Stofftier regt zum Lachenan: Die familiäre Umgebung prägt den Aufenthalt im Kinderhaus "AtemReich".

Stofftier regt zum Lachenan: Die familiäre Umgebung prägt den Aufenthalt im Kinderhaus "AtemReich".

© AtemReich

Kandidat für den Springer Medizin CharityAward 2011: Kinderhaus "AtemReich"

Aufatmen - zum ersten Mal im Leben

Wer von Geburt an beatmet werden muss, hat keine normale Kindheit. Tag und Nacht brauchen die Kinder medizinische Betreuung - Förderung von Fähigkeiten wie Laufen oder Krabbeln bleiben in Kliniken oft auf der Strecke. Das Kinderhaus "AtemReich" in München will den kleinen Patienten mehr vom Leben schenken.

Von Nina Giaramita

Viele Kinder müssen wegen einer Erkrankung oder einer Behinderung beatmet werden. Spezielle Betreuungsangebote gibt es selten für sie. Eine Ausnahme: das Haus "AtemReich" in München. Hier können die Kinder trotz ihrer Krankheit ein weitestgehend normales Leben führen.

Die vierjährige Eila ist der kleine Star im Kinderhaus "AtemReich". Das Mädchen, das auf Grund einer Gen-Erkrankung künstlich beatmet werden muss, verbrachte die ersten Monate seines Lebens auf der Intensivstation.

Kinderhaus AtemReich

Das Kinderhaus AtemReich bitet künstlich beatmeten Kindern seit April 2006 ein familienähnliches Zuhause, das neben der Pflege auch die Förderung in den Vordergrund stellt. Träger der Münchner Einrichtung ist die Gemeinnützige Gesellschaft Atemreich GmbH. Das Haus nimmt bis zu zwölf Kinder auf, drei zusätzliche Plätze sind für "Ferienkinder" vorgesehen. AtemReich steht intensivpflegebedürftigen Kindern ab der achten Lebenswoche bis zur Vollendung des Grundschulalters offen. Als Modellprojekt werden die laufenden Kosten über eine Finanzierung der Kranken- und Pflegekassen sowie des Bezirks Oberbayern getragen, zusätzliche Kosten werden aus Spenden finanziert.

www.atemreich.de

Dann entdeckten die Eltern die ungewöhnliche Münchner Einrichtung, in der intensivpflegebedürftige, beatmete Kinder nicht nur medizinisch betreut, sondern auch ganzheitlich gefördert werden.

Seitdem ist Eila Bewohnerin des "AtemReichs - und entwickelt sich rasant. "Anfangs konnte Eila praktisch gar nichts", erzählt Geschäftsführerin Felicitas Hanne. "Inzwischen hat sie nicht nur Gebärdensprache gelernt, sondern saust darüber hinaus mit einem Bobby-Car durch die Gänge."

Viele Kinder leben lange auf der Intensivstation

Seit der Gründung des "AtemReichs" im Jahr 2006 gibt es immer wieder solche Erfolgsgeschichten. Das Projekt wurde von dem Münchner Arzt Professor Johannes Schöber angestoßen.

Er hatte an seinem Arbeitsplatz in der Kinderklinik miterlebt, dass künstlich beatmete Kinder oft über Jahre hinweg auf der Intensivstation leben müssen - Orte, an denen es keinen Tag-Nacht-Rhythmus gibt, ständige Unruhe herrscht und keine Privatsphäre vorhanden ist.

"AtemReich" sollte dagegen ein Ort sein, an dem die Kinder zum ersten Mal in ihrem Leben "aufatmen" können. Anfangs mit sechs Betreuungsplätzen ausgestattet, bietet das Haus inzwischen 15 Plätze, davon drei für Kinder, deren Eltern lediglich eine vorübergehende Auszeit benötigen.

Die Einrichtung beschäftigt 79 Mitarbeiter, darunter Kinderkrankenschwestern, Pädagogen, Ergo- und Physiotherapeuten. Darüber hinaus stehen für die medizinische Versorgung eine 24-stündige Rufbereitschaft von Kinderärzten des angrenzenden Krankenhauses "Dritter Orden" sowie eine Betreuung durch niedergelassene Ärzte zur Verfügung.

Die Kinder, die auf Grund ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder beatmet werden müssen, sollen jedoch vor allem ein familienähnliches Zuhause vorfinden. Dazu gehört das Angebot an die Eltern, bei ihren Kindern zu übernachten.

"Diese Möglichkeit nutzen vor allem Eltern, deren Kind bisher nur auf der Intensivstation war und für das eine Betreuung zu Hause geplant ist", sagt Hanne. "Oft ist die gesundheitliche Situation des Kindes noch nicht so gefestigt, dass es in die häusliche Umgebung entlassen werden kann. Wir schlagen hier eine Brücke."

Die Einrichtung nimmt Kinder ab der achten Woche auf. Bis zur Vollendung des Grundschulalters können sie im "AtemReich" bleiben. Die Förderung erfolgt auf vielfältigste Weise: Neben Schulunterricht ist vor allem spielerisches Lernen mit allen Sinnen angesagt.

Dazu gehören Ausflüge, Spiele im hauseigenen Garten, gemeinsames Musizieren sowie der Besuch von der "Streichelbande", den Therapiehunden des Hauses.

Auch traurige Momente gibt es im Kinderhaus

Die Erfolge geben dem interdisziplinär arbeitenden Team des "AtemReichs" recht. "Die Kinder entwickeln sich in jeder Hinsicht positiv", sagt Felicitas Hanne. "Die Krankenhausaufenthalte sind geringer und kürzer geworden, soziale Beziehungen werden geknüpft, und Kinder, die anfangs kaum den Kopf halten konnten, fangen an, zu laufen."

Dennoch: Es gibt auch Rückschritte und traurige Momente in dem Haus. "Es kostet auch Kraft, hier zu arbeiten, denn wir müssen immer wieder von Kindern Abschied nehmen, die sterben", sagt Hanne.

Die Leiterin des Kinderhauses will sich mit ihrem Team dafür einsetzen, dass es auch für ältere Kinder, die beatmet werden müssen, Betreuungsmöglichkeiten gibt. "Wir mussten kürzlich erleben, dass ein 14-jähriges beatmetes Kind auf Grund mangelnder Alternativen im Altenheim untergebracht wurde." Sie will sich dafür engagieren, dass solche Fälle künftig anders gelöst werden.

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