Wasserspringer

Wenn Schmerz zum Dauerbegleiter wird

Mehr als "nur" Bauchplatscher: Der Zuschauer daheim vor dem Fernseher ahnt nichts von den Schmerzen, die Wasserspringer für ihren Sport in Kauf nehmen.

Von Marc Zeilhofer Veröffentlicht:
Wasserspringer Martin Wolfram springt bei der EM 2015 vom Turm.

Wasserspringer Martin Wolfram springt bei der EM 2015 vom Turm.

© Jens Büttner / dpa

LONDON. Arthrose im Schultereckgelenk, abgetrennte Zehennägel, gerissene Kapseln - all das hält die Wasserspringer nicht von Wettkämpfen ab. Der Schmerz ist ihr Dauerbegleiter und wird für Medaillen und Erfolge in Kauf genommen. "Ein Weichei darf man nicht sein", sagt Bundestrainer Lutz Buschkow und spricht offen von einer "Risikosportart", die eine besondere mentale Stärke erfordere.

"Die Weltspitze zeigt Sprünge im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit", sagt Buschkow. Vom Turm treffen die Springer nach bis zu vier Salti oder mehreren Schrauben mit 60 Stundenkilometern kopfüber aufs Wasser. Die Bremskräfte gehen vor allem an den Handgelenken und Schultern nicht spurlos vorbei.

Zehennägel abgerissen

Bei 12.000 bis 16.000 Sprüngen pro Jahr geht auch mal etwas schief, manchmal fehlt etwa die Zeit zum richtigen Eintauchen. Buschkow verdeutlicht die Akrobatik an einem Beispiel: "Der Fernsehzuschauer soll aus seinem Sessel aufstehen und in 1,2 Sekunden zwei Rollen vorwärts machen, zwei Schrauben um seine Längsachse, dann im Handstand stehen. Dann wissen sie, was Wasserspringer leisten."

Für Patrick Hausding, der mit 13 Titeln Rekord-Europameister ist, sind Schmerzmittel oft Begleiter seiner erfolgreichen Karriere. "Man gibt wegen Schmerzen nichts auf, wofür man ein Jahr gearbeitet hat", sagt der Berliner. Bei der WM 2015 riss sich der 27-Jährige bei einem missglückten Absprung vom Drei-Meter-Brett mehrere Zehennägel ab und sprang trotzdem weiter.

Nach einem Bauchklatscher rissen einmal mehrere Kapillargefäße, innere Verletzungen mussten medizinisch abgeklärt werden.

Auch sein Partner im Synchronspringen Sascha Klein ist hart im Nehmen: Zu Wochenbeginn stand "etwas an der Schulter schief", berichtete Klein. "Man lernt mit den Jahren, auch einzustecken."

Mit ausgerenkter Schulter

Martin Wolfram beendete 2012 das Olympia-Finale vom Turm gar mit ausgerenkter Schulter. Nun hat der Dresdner mit 24 Jahren Arthrose am Schultereckgelenk. "Da die zwei Knochen aufeinandertreffen, führt das zu unheimlichen Schmerz und Entzündungen der Sehnen. Das hindert mich daran, frei zu springen", erklärt Wolfram. Um die Schulter zu schonen, sprang er bei der Europameisterschaft in London nicht vom Turm, sondern vom Drei-Meter-Brett.

Auch Nora Subschinski und Maria Kurjo machten gefährliche Erfahrungen. Kurjo knallte zweimal mit dem Kopf gegen die Beton-Plattform und musste von Buschkow bewusstlos aus dem Wasser gezogen werden. Subschinski lässt nach einer komplizierten Halswirbel-Operation das Turmspringen sein und konzentriert sich auf das Drei-Meter-Brett.

Die Berlinerin sagt: "Ein bisschen Schmerz ist gut und gehört dazu. Dann weiß ich, mein Körper lebt noch." (dpa)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 18.05.201622:26 Uhr

Nun ja, wenn er damit glücklich wird?

Ich erkenne einen Fußballspieler auf einer OSG-Röntgenaufnahme und einen Volleyballspieler bei einer Hand-Röntgenaufnahme (Fingergelenke).
Das Mitleid hält sich in Grenzen. Ärzte müssen hier allerdings pflicht- und standesgemäß etwas warnen und bremsen, da kann man schon manches verhindern und sich nicht mit Cortison oder schlimmerem noch mitschuldig machen. Trainer sind dabei noch wichtiger.
Ich selbst hatte in recht jungen Jahren schon einen sportbedingten Bandscheibenschaden mit Op etc.,
trotzdem habe ich das Vorausgegangene bis heute nicht bereut.

Heike Drolshagen 18.05.201611:59 Uhr

Springen in die Behinderung?

Das ist doch wohl mehr als krank! Wie kann man seinen gesunden Körper absichtlich so maltraitieren? Keine Medaille der Welt kann einem die Gesundheit zurückbringen! Manche Menschen brauchen offensichtlich Krankheiten oder Behinderungen, um Gesundheit wieder schätzen zu können. Mich würde interessieren, ob langfristig bei Wasser(kopf)springern auch das Gehirn leidet z. B. in Form einer höheren Demenzrate.

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