Willkommen auf der Erde, Nr. 7.000.000.000!

Die Menschheit wächst: Erstmals leben mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Experten fürchten einen Kampf um knapper werdende Ressourcen. Andere erinnern daran, was die Welt schon alles ausgehalten hat.

Von Christoph Sator Veröffentlicht:
Kinder singen und tanzen in einer mobilen Schule im Nordwesten von Kenia. Afrika gehört zu den Regionen mit der höchsten Geburtenrate.

Kinder singen und tanzen in einer mobilen Schule im Nordwesten von Kenia. Afrika gehört zu den Regionen mit der höchsten Geburtenrate.

© dpa

Irgendwann in den nächsten Tagen wird es wohl soweit sein. Und nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit wird es nicht in Deutschland passieren, wo die Leute weniger werden, sondern in einem der beiden Milliarden-Einwohner-Staaten Indien oder China. Irgendwo dort also wird demnächst vermutlich das Baby geboren, mit dem die Welt zum ersten Mal mehr als sieben Milliarden Menschen zählen wird.

Eine Einschränkung gibt es: Kann sein, dass Erdenbürger Nr. 7 000 000 000 schon da ist. Keine Statistik der Welt ist so genau, dass man einen exakten Termin ausrechnen könnte. Die Vereinten Nationen haben sich auf den 31. Oktober als mutmaßlichen Geburtstag festgelegt - ein Datum von eher symbolischem Wert. Die Bevölkerungsexperten haben oft schon die Erfahrung gemacht, dass ihre Prognosen von der Wirklichkeit überholt werden. Deshalb wird erwartet, dass es schneller geht.

Im Lauf der Menschheitsgeschichte hat sich das Wachstumstempo enorm gesteigert: Zu Christi Geburt gab es etwa 300 Millionen Menschen. Erst kurz nach 1800 wurde dann die erste Milliarde erreicht. Jetzt kam allein im noch jungen 21. Jahrhundert schon wieder eine Milliarde hinzu. Mit weiteren Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung ist man inzwischen ähnlich vorsichtig wie bei längerfristigen Wettervorhersagen.

Gewichte zwischen den Kontinenten verschieben sich

"Der globale Ausblick ist durch viele Unsicherheiten schwierig", gibt der Bevölkerungswissenschaftler David Bloom von der Harvard School of Public Health zu. "Dazu zählen Infektionskrankheiten, Krieg, der wissenschaftliche Fortschritt, politische Änderungen und unsere Fähigkeit zur globalen Zusammenarbeit." Allgemein wird erwartet, dass sich das Bevölkerungswachstum abschwächt: Die UN-Prognosen fürs Jahr 2050 reichen von acht bis 10,5 Milliarden.

Sicher ist, dass sich die Gewichte zwischen den Kontinenten verschieben werden. Getrieben wird das Wachstum von den hohen Geburtenraten in Asien und Afrika. Bald wird Indien (derzeit: 1,2 Milliarden) China (1,3 Milliarden) als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. Allein in Nigeria, das mit 162 Millionen heute schon die meisten Einwohner Afrikas hat, soll die Zahl bis zur Jahrhundertmitte auf fast eine Drei-Viertel-Milliarde zunehmen.

Ein anderes Beispiel: Derzeit haben die Industrienation Deutschland und das Entwicklungsland Äthiopien beide etwas mehr als 80 Millionen Einwohner. In 40 Jahren jedoch wird es voraussichtlich 174 Millionen Äthiopier geben, aber nur noch 72 Millionen Deutsche. Und die werden im Schnitt deutlich älter sein.

Bedarf an Land, Energie und Nahrungsmitteln wächst

Dies bedeutet auch, dass sich die Machtverhältnisse zwischen den Kontinenten verschieben werden. Länder wie China, Indien oder Brasilien (193 Millionen) gewinnen jetzt schon an Einfluss. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte dieser Tage nicht nur mit Blick auf die Euro-Krise: "In einer Welt von sieben Milliarden Menschen müssen wir 500 Millionen Europäer zusammenhalten."

Mit der schieren Zahl an Menschen wächst auch der Bedarf an Land, an Lebensmitteln, an Energie. Befürchtet wird, dass der Kampf um Ressourcen härter wird. Viele halten es zum Beispiel für möglich, dass es zwischen Nachbarstaaten künftig Kriege ums Wasser geben wird.

Die Umweltorganisation WWF hat ausgerechnet, dass man 2050 eigentlich drei Planeten Erde brauchen wird, wenn sich an unseren Gewohnheiten nichts ändert. "Wir müssen in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge an Lebensmitteln herstellen wie in den letzten 8000 Jahren", sagt WWF-Experte Jason Clay. Zudem wird, vor allem in den großen Industrienationen, immer noch viel zu viel weggeschmissen.

Optimisten verweisen darauf, dass sich die vielen apokalyptischen Voraussagen über die Folgen des Bevölkerungswachstums bislang noch nie bewahrheitet hätten. Tatsache ist, dass die Entwicklung durch technische und medizinische Errungenschaften bislang oft positiver verlaufen ist als ursprünglich befürchtet - nicht nur wegen der Erfindung von Pille und Präservativ, auch wegen der höheren Produktivität in der Landwirtschaft.

Interview: "Bevölkerungsprognosen sind relativ verlässlich"

dpa:Woher weiß man, wie viele Menschen es auf der Welt gibt?

Steffen Kröhnert: Dafür muss man die Bevölkerungszahlen aus allen Ländern der Welt zusammentragen. In entwickelteren Ländern gibt es dafür Einwohnerstatistiken, die sehr genau sind. Aber es gibt auch sehr viele Länder, in denen die Zahlen auf Schätzungen beruhen - beispielsweise durch Experten der Vereinten Nationen.

dpa:Und wie werden daraus Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung errechnet?

Kröhnert: Zunächst sollte man wissen, wie das Geburtenverhalten in den Ländern ist. Wenn es in einem Land so und so viele Frauen in dem und dem Alter gibt und diese bekommen normalerweise so und so viele Kinder - dann kann man ausrechnen, wie sich die Bevölkerung in den nächsten Jahren entwickelt.

Ähnlich gilt das auch für die Sterbefallzahl. Diese beiden Daten werden gegeneinander aufgerechnet: Die Zahl der prognostizierten Geborenen gegen die Zahl der prognostizierten Sterbefälle.

dpa:Wie verlässlich sind solche Prognosen?

Kröhnert: Eine Bevölkerungsprognose für die Welt über einige Jahrzehnte ist relativ verlässlich. Man muss ja keine Wanderungen berücksichtigen, nur Geburten und Sterbefälle. Für ein Land oder eine Region ist das schwieriger, weil dort Brüche - etwa Kriege - eine große Rolle spielen.

Steffen Kröhnert ist Demograf am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

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