Biosimilars

Ärzte als Schaltzentrale

Bei vielen Biopharmazeutika läuft in den nächsten Jahren der Patentschutz aus. Doch anders als Generika chemisch-synthetischer Wirkstoffe sind Biosimilars nicht vollständig identisch mit den Originalen. Die Barmer GEK und die KV Westfalen-Lippe arbeiten an einem Vertrag, der für Ärzte mehr Klarheit für die Verordnung bringen soll.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Der Arzneimittelmarkt steht vor tief greifenden Veränderungen. Bis 2018 verlieren viele umsatzstarke Biopharmazeutika den Patentschutz.

Schon im kommenden Jahr laufen erstmals gemessen am Umsatz mehr der in gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Wirkstoffe aus dem Patent als chemisch-synthetisch hergestellte Arzneien. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen bringen sich bereits in Stellung, um mögliche Einsparpotenziale zu heben.

Vorreiter wollen die Barmer GEK und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sein. Sie treiben ein Vertragsprojekt voran, dass Biosimilars unter Ärzten besser bekannt machen soll.

"Wir wollen diesen innovativen Arzneimittelmarkt für Ärzte steuerbar machen", sagte KVWL-Chef Dr. Wolfgang Axel Dryden im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Es gehe darum, Ärzte auf den Stand zu bringen, dass sie klare Entscheidungen treffen könnten.

Diese Entscheidungen betreffen vor allem Neueinstellungen von Patienten, die mit Biologika behandelt werden sollen. Anders als die Generika chemisch-synthetischer Wirkstoffe sind Biosimilars nicht absolut identisch mit den Originalen.

Die biologischen Herstellungsverfahren sorgen nach Auskunft des Branchenverbandes Pro Generika sogar dafür, dass sich sogar einzelne Chargen der Produktion voneinander unterscheiden können. Ein Austausch durch den Apotheker sei deshalb kaum möglich, sagen selbst Vertreter von Kassen.

Ärzte haben den Schlüssel in der Hand

Den Schlüssel für die Verordnung der Biosimilars halten die Ärzte in der Hand. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat sich bereits dafür ausgesprochen, Neueinstellungen mit Biosimilars vorzunehmen.

Noch sind die Nachahmerprodukte der Biopharmazeutika auf dem Markt kaum präsent. Laut Pro Generika betrug der Umsatz mit den bislang verfügbaren Biosimilars gerade einmal 66 Millionen Euro.

Im gleichen Zeitraum verordneten Ärzte patentgeschützte Biopharmazeutika im Wert von rund 2,2 Milliarden Euro. Der TNF-alpha-Blocker Adalimumab (Humira) war daran allein mit rund 600 Millionen Euro beteiligt.

Die Biologika werden zum Beispiel gegen Krebs und rheumatoide Arthritis eingesetzt, beides stark wachsende Indikationen. Hier Einsparungen zu erzielen ist für die Kassen daher interessant. Die Potenziale werden gegenüber den Preisen der Originale auf rund 30 Prozent geschätzt.

Die Einsparmöglichkeiten würden noch zu selten genutzt, sagt KVWL-Chef Wolfgang Axel Dryden. Grund sei, dass die Kassen alle originalen Biopharmazeutika als Praxisbesonderheiten anerkennen würden.

 Praxisbesonderheiten seien jedoch keine Freibriefe. "Wir sehen die Möglichkeiten, eine kostengünstige, innovative Arzneimitteltherapie anschieben zu können, sagt Dryden. Gleichzeitig solle Ärzten die Sorge genommen werden, sie handelten unwirtschaftlich und könnten bei Prüfungen auffallen.

Enger Schulterschluss mit Ärzten gesucht

Der Vertrag zwischen Barmer GEK und der KV Westfalen-Lippe solle Klarheit ins Verordnungsgeschehen bringen, sagt Barmer GEK-Bereichsleiter Michael Hübner. "Wir suchen den engen Schulterschluss mit den Ärzten", sagte Hübner der "Ärzte Zeitung".

In einem weiteren Schritt solle es dann um die Einbindung der Industrie durch Rabattverträge gehen. Dies sollen keine dem Generikamarkt nachempfundenen Rabattverträge sein.

Wenn die Industrie sehe, dass sich ein Verordnungsmarkt herausbilde, auf dem die Kassen als Akteure vertreten seien, könne man sie an den Verhandlungstisch bekommen, hofft Hübner. Dabei setzt die Kassenseite darauf, dass auf einen Wirkstoff mehrere miteinander konkurrierende Nachahmerprodukte kommen.

Die Rabattmarge werde sich ergeben, wenn die Kasse den Herstellern klar machen könne, dass sie über einen Vertrag in die Menge kommen könnten.

Dass einige Kassen bei der Verbreitung von Biosimilars über andere Wege nachdenken als über die bei Generika üblichen Rabattvertragsausschreibungen, sieht die Branche positiv.

"Die neuen Biosimilars bringen vor allem neue Chancen für die Versorgung: Wir setzen uns daher dafür ein, dass die Ärzte noch viel stärker einbezogen werden, statt ihnen die Verordnungsentscheidung durch Rabattvertragsausschreibungen der Krankenkassen komplett aus der Hand zu nehmen", sagt Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika.

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