Hochbetagte Patienten

"Ärzte sind nicht gut vorbereitet"

Bei der Behandlung alter Menschen mangelt es oft an Evidenz: Eine Forschergruppe hat eine Wunschliste für eine bessere geriatrische Versorgung formuliert.

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BERLIN. Ärzte müssen bei der Versorgung von hochbetagten Patienten zumeist ohne evidenzbasierte Behandlungsstrategien auskommen.

"Das ist keine gute wissenschaftliche Praxis (...), sondern gefährdet alte Menschen mitunter", heißt es in der Stellungnahme "Medizinische Versorgung im Alter - welche Evidenz brauchen wir?". Eine Forschergruppe unter Federführung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat die Expertise am Dienstag vorgestellt.

Grund dafür sei, dass die Erforschung von Erkrankungen und die Entwicklung von Therapien in der Regel auf Patienten mittleren Alters mit einer einzelnen Erkrankung ausgerichtet ist. Für die Allgemeinmedizinerin Professor Annette Becker von der Universität Marburg stellt sich die Frage, "ob alte Menschen noch davon profitieren, wenn man strikt Leitlinien befolgt, oder ob man als Arzt damit nicht die Fehlversorgung fördert".

Studien gefordert

Die Autoren fordern, randomisierte kontrollierte Studien müssten auch an alten und sehr alten Menschen vorgenommen werden, insbesondere mit Blick auf die Primärversorgung, so Becker. Die Zulassung von Arzneimitteln sollte - ähnlich wie bei Kindern -  an Studien mit hochbetagten Patienten geknüpft werden, heißt es.

Dabei müssten zusätzliche Endpunkte wie etwa der Erhalt von Alltagsfunktionen und damit Lebensqualität berücksichtigt werden, forderte Professor Cornel Sieber, Geriater an der Universität Erlangen-Nürnberg: "Das IQWiG sollte in die Bewertung neuer Arzneimittel auch die Wiederherstellung von Funktionalität einfließen lassen." Sieber plädierte für eine Studienkultur, "in der Alterskrankheiten in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden".

Deutschland sei bei der Akademisierung der Geriatrie nicht vorne mit dabei - es gebe bundesweit nicht einmal eine zweistellige Zahl von Lehrstühlen, kritisierte er.

Facharzt für Geriatrie

Die Autoren sprechen sich dafür aus, Altersmedizin müsse "integraler Bestandteil aller Ausbildungsgänge in den Gesundheitsberufen sein", so die Pflegewissenschaftlerin Professor Gabriele Meyer von der Universität Halle-Wittenberg. Sinnvoll sei die Etablierung eines Facharztes für Geriatrie.

Für die Primärversorgung mahnt die Forschergruppe Versorgungsmodelle gezielt für chronisch kranke und multimorbide alte Patienten an. Dabei sollte das Überleitungsmanagement zwischen Klinik und Praxis verbessert werden.

Im Krankenhaus sollte möglichst direkt nach der Aufnahme ein geriatrisches Assessment vorgenommen werden.Die Zahl der über 80-Jährigen wächst in Deutschland stark: Die 4,5 Millionen Hochbetagten machen inzwischen 5,4 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. (af/fst)

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