Muss sich die GKV auf besonders wichtige Leistungen konzentrieren? Ja, sagt der Präsident der Bundesärztekammer.
Von Bülent Erdogan
Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, hält ungeachtet scharfer Kritik an seiner Forderung nach einer Priorisierung von Leistungen in der GKV fest. "Wir haben in Deutschland Rationierung - aber eine heimliche", sagte Hoppe am Mittwoch zur Begründung auf dem Hauptstadtkongress in Berlin. Schon heute werde Patienten aus Gründen der Mittelknappheit die Unwahrheit über Therapiemöglichkeiten gesagt. Hoppe sprach in diesem Zusammenhang von einer "barmherzigen Lüge" der Ärzte.
Als Ziele einer Priorisierung nannte Hoppe absolute Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es in der Tat weiterhin Rationalisierungsreserven in der GKV gebe.
Dagegen lehnte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder, Hoppes Forderung kategorisch ab. "Die Priorisierungsdebatte führt direkt in die Zweiklassenmedizin", sagte er. Diese könne nur dann verhindert werden, indem gleichzeitig jede private Behandlung, so wie dies etwa in Kanada der Fall sei, verboten werde. Zudem müsse in einem solchen System der Schwarzmarkt für Gesundheitsdienstleistungen bekämpft werden. Schröder warf Hoppe vor, mit seinen Forderungen von weiter notwendigen Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen ablenken zu wollen.
Nicht zuletzt vermutet Schröder, dass hinter der Priorisierungsdebatte in Wirklichkeit die Forderung von Teilen der Ärzteschaft nach mehr Geld steht.
Udo Schlaudraff, Gründungsmitglied der Akademie für Ethik in der Medizin, forderte eine Debatte über Möglichkeiten und Grenzen der Medizin. Es müsse Schluss sein mit unendlichen Leistungsversprechen. "Es kann nicht Ziel der Medizin sein, den Tod zu bekämpfen - sondern nur den vorzeitigen Tod", sagte Schlaudraff. Der "Traum vom naturbelassenen Sterben" sei ausgeträumt. "Eine Gesellschaft, die den Tod nicht zulassen kann, wird ihn letztlich zuteilen müssen." Eine Diskussion über Prioritäten könne dies vermeiden, stützte Schlaudraff die Position Hoppes.
Dagegen zeigte sich der Bayreuther Professor Eckhard Nagel skeptisch, was die Realisierbarkeit von allgemeingültigen Ranglisten für eine Priorisierung betrifft. "Ein Arzt setzt ganz andere Prioritäten als ein Patient und seine Angehörigen", sagte er. Mit Blick auf die Vorenthaltung von Leistungen verwies Nagel auf Erfahrungen im US-Bundesstaat Oregon. Dort habe man sich daran versucht, sei aber gescheitert: "Die Vorstellung, man könne tatsächlich nach solchen Ranglisten medizinische Leistungen zuweisen, funktioniert in einem demokratischen Staat nicht." Schon wegen des Grundsatzes der Menschenwürde könne eine solche Praxis keinen Bestand haben.
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