Thüringen

Ärzteschaft in Familienhand

Die Spitze von KV und Kassenzahnärztlicher Vereinigung Thüringen trifft sich jeden Morgen am Frühstückstisch: Mit Annette und Karl-Friedrich Rommel werden die beiden Körperschaften von einem Ehepaar geführt.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
KV-Chefin und KZV-Chef: "Am Frühstückstisch geht es nicht um Standespolitik, sondern um die Befindlichkeiten unseres Hundes und der Pferde."

KV-Chefin und KZV-Chef: "Am Frühstückstisch geht es nicht um Standespolitik, sondern um die Befindlichkeiten unseres Hundes und der Pferde."

© Büssow

GOTHA. Kurz vor acht, am Frühstückstisch von Familie Rommel in Mechterstädt bei Gotha: Wird hier die Thüringer Standespolitik bei einer Tasse Kaffee entschieden?

Annette Rommel lacht. "Keinesfalls, da geht es eher um die Befindlichkeiten unseres Hundes oder der Pferde", sagt die neue KV-Landesvorsitzende.

Im Juli folgte sie auf Regina Feldmann, die in die KBV-Spitze gewählt wurde.

Was es heißt, Chef einer ärztlichen Selbstverwaltung zu sein, wusste Annette Rommel allerdings schon früh von der anderen Seite des Küchentischs: Gatte Karl-Friedrich führt seit 1999 die Kassenzahnärzte Thüringens (KZV).

Auch ihre Patienten werden unter einem Dach behandelt

Dass die beiden "Chefärzte" im Freistaat miteinander verheiratet sind, und das seit 33 Jahren, empfinden sie kein bisschen als kurios.

"Ich habe ihr weder zu- noch abgeraten. Ich weiß, sie kann das, aber wir sind doch zwei verschiedene Individuen. Jeder macht seine Arbeit", betont er.

Sie wollen es halten wie mit ihren Patienten, die sie in ihren Praxen - auch beide unter einem Dach - behandeln: ärztliche Schweigepflicht. Aber natürlich unterhalte man sich über die Untiefen des Gesundheitswesens.

Dadurch sei sie ja erst in die Standespolitik reingerutscht, erzählt Annette Rommel. "Mein Mann hat immer gesagt, mach‘ das ruhig, da kann man ganz viel bewirken. Und das stimmt."

Dabei ist sie eigentlich Landärztin mit Leib und Seele. Dass sie nun nur noch 13 Stunden pro Woche in ihrer Praxis arbeiten darf, schmerze sehr. "Ich habe aber eine tolle Kollegin für den Rest der Woche gefunden."

In der KZV ist Zank zwischen Arztgruppen kein Thema

Die Schnittmengen zwischen KV und KZV, zu denen man sich austauschen könnte, seien leider nicht sehr groß. Konflikte wie zwischen Haus- und Fachärzten in der KV kenne er beispielsweise gar nicht, sagt Karl-Friedrich Rommel.

"Wir haben immer gesagt, wir sind Zahnärzte und eine Zersplitterung dulden wir nicht in Thüringen."

Das sei auch nicht vergleichbar, erwidert Annette Rommel, weil die KV viel mehr Fachgruppen vereine. Dennoch: "Die ganz große Überschrift ist für mich das Thema Kommunikation. Ich will eine erste Vorsitzende sein für alle Ärzte."

Da habe es in der Vergangenheit auch Defizite gegeben. Wegbegleiter in der Vertreterversammlung, der sie sieben Jahre angehörte, trauen ihr das zu - auch deshalb fiel ihre Wahl einstimmig aus.

Das zweite Topthema ihrer Agenda: Nachwuchssicherung. "Mich hat schon immer aufgeregt, wenn Kollegen klagen, dass sie keine Nachfolger finden, und gleichzeitig jammern, wie schlecht der Arztberuf ist. Aber das ist doch nicht wahr."

Die Honorare seien gestiegen, die Arbeitsbedingungen besser geworden. Stichwort Bürokratie? Auch so ein Thema: "Dieses Schlagwort ist oft nur erschlagend", sagt sie.

"Ich kann nicht jeden Zettel als Bürokratie empfinden. Wenn ich ein Gutachten für das Versorgungsamt schreibe, dann mache ich das für den Patienten, den ich jahrelang kenne. Das dauert dann auch nicht lange."

Noch ein Zettel, noch eine Schnittstelle - diese Klagen hört sie auch über den Hausarztvertrag der AOK Plus in Thüringen.

Nachwuchsprobleme gibt es bei Zahnärzten zeitversetzt

Der Add-on-Vertrag kommt nur verhalten an. "Dabei ist das ein hervorragender Vertrag. Es gibt kein Risiko für den Arzt", sagt die HzV-Verfechterin.

Um junge Leute für den Arzt-Beruf zu begeistern, will sie innovative Projekte wie die KV-Eigeneinrichtungen oder Stipendien fortführen. Allerdings halte sie weniger von einer ganz frühen Förderung.

"Studenten sagen mir, wir wollen uns nicht im dritten Studienjahr verpflichten, uns irgendwo niederzulassen. Bis dahin kann so viel dazwischen kommen", sagt Rommel.

Sie hat selbst schon an der Universität Jena Kurse gegeben. Stattdessen will sie die Koordinierungsstelle für Allgemeinmedizin ausbauen und die Weiterbildung verbessern. Hier könne man konkret helfen. Mit Uni-Leitung und Fachschaft gebe es dazu bereits Gespräche.

Die Nachwuchssorgen hat Annette Rommel ihrem Mann voraus. "Das ist bei den Zahnärzten ein analoges Problem, nur zehn Jahre zeitversetzt."

Da könne er auch von den Erfahrungen der KV profitieren. Das Problem ist sozusagen Familiensache.

Eine Vorstufe zur Fusion von KV und KZV? "Wir können voneinander lernen", sagt Anette Rommel, "aber fusionieren werden wir auf keinen Fall."

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