Zankapfel Substitution
Pflegerats-Chefin: Arztzentriertes System aus der Zeit gefallen
Gesundheitsministerin Nina Warken will rasch zwei Pflegegesetze auf den Weg bringen – darunter eines, das Pflegeberufen mehr Eigenständigkeit in der Versorgung verschaffen soll. Über die Deutung des Vorhabens ist längst ein Kampf entbrannt.
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Pflege als eigenständiger Leistungserbringer? Berufspolitisch ist das noch immer ein Zankapfel.
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Berlin. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will vollenden, was Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) als Gesetzesplan aufgesetzt hat: ein Kompetenz-Upgrade für die rund 1,7 Millionen professionell Pflegenden. Tenor: Die hiesige Pflegeprofession könne vieles, dürfe das aber nicht eigenständig in der Versorgung tun.
Lauterbach hievte seinen Entwurf für ein Pflegekompetenzgesetz (PKG) Ende 2024 zwar noch ins Kabinett – wegen des Scheiterns der Ampel schaffte es das Vorhaben aber nicht mehr in den Bundestag.
Nun also Warken: Anfang August will die CDU-Politikerin ihren – leicht geänderten – Referentenentwurf ins Kabinett und anschließend ins parlamentarische Verfahren einbringen. „Der Pflegeberuf“, heißt es im neuen PKG-Entwurf, „ist ein Heilberuf mit eigenen beruflichen Kompetenzen.“
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Fähigkeiten und Wissen der Pflegekräfte seien daher stärker zu nutzen. In der Demenz-, Wund- und Diabetesversorgung sollten Pflegefachpersonen neben Ärzten eigenverantwortlich weitergehende Leistungen und bestimmte, bisher Ärzten vorbehaltene Leistungen in der Versorgung erbringen können.
Unterschiedliche Lesarten eines Entwurfs
Was in anderen Ländern längst Usus ist, trifft hierzulande noch immer auf unterschiedliche Lesarten. Letztlich geht es dabei auch um Geld. Denn dass die Kassen angesichts der Finanzlage der GKV neben dem Honorartopf für Ärzte einen weiteren milliardenschweren Topf aufsetzen, ist illusorisch.
Nicht von ungefähr hat die Chefin beim Ersatzkassenverband (vdek), Ulrike Elsner, schon bei der Anhörung zum Entwurf der Ampel betont, die Finanzierung der auf Pflegefachkräfte übertragenen heilkundlichen Tätigkeiten werde zu „Verwerfungen“ zwischen vertragsärztlichem und pflegerischem Bereich führen.
Exklusiv Heilkunde-Ausübung
Hausärzteverband unterstützt Kompetenz-Upgrade für Pflegekräfte – unter Bedingungen
In einer Stellungnahme zum PKG-Entwurf Warkens hält der Hausärztinnen- und Hausärzteverband denn auch fest: Mit Blick auf weitere „Delegationsmöglichkeiten“ sei klarzustellen, dass damit keine Substitution ärztlicher Leistungen gemeint sein könne.
Substitution, so das Argument, führe zu „unnötigen und kostenintensiven Doppelstrukturen“. Ansage an den Gesetzgeber: Der Grundsatz des Arztvorbehalts sei „zwingend“ beizubehalten, die „Letztverantwortung“ habe weiterhin beim Arzt zu liegen.
KBV mahnt zu Ehrlichkeit in der Debatte
Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) tut man sich mit Substitution ebenfalls schwer. „Kann man machen, aber das muss dann auch klar für jeden erkennbar sein“, sagt Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister.
Bekomme der Pflegedienst, mit dem der Hausarzt zusammenarbeite, weitergehende Behandlungskompetenzen und diagnostische Befähigungen, „dann ist der Pflegedienst auch verantwortlich, und dann kann es nicht sein, dass ich als Hausarzt trotzdem für den Behandlungserfolg hafte“.
Im Übrigen, so Hofmeister: Substitution schaffe nur neue Schnittstellen in der Versorgung, und die kosteten Ressourcen.
Delegation oder doch Substitution?
Berufsvertreter der Pflege sehen die Sache naturgemäß anders. Würden Pflegekräfte weiterhin „nur“ Leistungen der ärztlichen Behandlung „übernehmen“ dürfen, sei das kein Fortschritt, sondern die Rückkehr zur Delegation – heißt: Der Status quo würde „zementiert“, sagt Peter Koch, Vorsitzender beim Pflegebündnis Mittelbaden.
Sein Appell: „Wir brauchen ein klares Signal seitens der Politik für mehr Verantwortung in der Pflege, keine neuen Abhängigkeiten.“
„Wenn wir alles im Rahmen von ärztlicher Delegation lassen, können wir uns das Gesetz schenken“, formuliert auch Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR), gegenüber der Ärzte Zeitung. „Ein Kompetenzgesetz light bringt uns keinen Millimeter weiter.“
„Wollen wir das so weiterlaufen lassen?“
Ziel müsse sein, „die selbstständige Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachpersonen zu stärken und ihre Kompetenzen eigenverantwortlich in der Versorgung zur Anwendung zu bringen“, so Vogler. Ein „arztzentriertes System“, das den Zugang zur Versorgung verenge, sei aus der Zeit gefallen.
Vogler nennt das Beispiel Wundmanagement: Warte die Pflegekraft auf das Go des Hausarztes, um eine Matratze zur Verhinderung eines Dekubitus zu verschreiben, verliere man „kostbare Zeit“. Am Ende gebe es nur Verlierer: Patient, Arzt, Pflegekraft, Beitragszahler. „Wollen wir das so weiterlaufen lassen?“ (hom)