Kommentar zum Beherbergungsverbot

Aktionismus bremst das Coronavirus nicht aus

Statt behutsam und transparent vorzugehen, verzetteln sich Bund und Länder im Kampf gegen Corona in Kleinstaaterei und Besserwisserei. Das schadet allen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Erinnert sich noch jemand? Es war Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der in der Bundespressekonferenz Ende Februar erklärte, die Politik müsse das „Menschenmögliche“ tun, um die Bevölkerung vor dem neuartigen Coronavirus zu schützen. „Aktionismus“ sei zu vermeiden.

Keine Frage: Die aktuelle Corona-Lage in Deutschland ist ernst. Mehr als 4000 Neuinfektionen am Tag und das nun schon seit zwei Wochen können niemanden unbesorgt lassen. Für Aktionismus besteht aber kein Anlass – an dieser Diagnose des Innenministers hat sich nichts geändert.

Im Gegenteil: Weil wir mehr wissen über das Virus und weil wir auch sehen, dass die Zahl schwerer Verläufe trotz steigender Inzidenz bislang moderat ist, ist behutsames und transparentes Vorgehen nötig.

Keiner blickt mehr durch

Doch was passiert stattdessen? Bund und Länder werden hektisch und verfallen in Kleinstaaterei. Beispiele sind die vergangene Woche beschlossenen „Beherbergungsverbote“ für Reisende aus innerdeutschen Corona-Hotspots.

Die Folge: Keiner blickt durch, wo was gilt und warum was gilt. Und der Hinweis, ein aktueller negativer Corona-Test öffne alle (Herbergs-)Türen, stößt an ganz praktische Grenzen. Die Testkapazitäten dürften in Kürze aufgebraucht sein. Risikopatienten, Ärzte und Pflegekräfte wären die Gelackmeierten. Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt spricht zu Recht von „Ressourcenverschwendung“.

Dass das Beherbergungs-Wirrwarr jetzt unter Beschuss gerät und Politiker aller Couleur plötzlich ihr Unverständnis äußern, macht die Sache nur noch schlimmer. Immer mehr Bürger beschleicht das ungute Gefühl, dass sich die Politik zusehends verheddert und sie abends nicht plausibel erklären kann, was sie morgens beschlossen hat.

Bund und Länder laufen so Gefahr, die bislang stärksten Trümpfe im Kampf gegen die Pandemie aus der Hand zu geben: Akzeptanz und Solidarität.

Schreiben Sie dem Autor: thomas.hommel@springer.com

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