Sektorenübergreifende Versorgung durchgespielt

Alternativszenario voller politischer Sprengkraft

Bei einem Modellprojekt in Baden-Württemberg ist die sektorenübergreifende Versorgung durchgespielt worden. Der Abschlussbericht enthält Empfehlungen, die es in sich haben - und das Konfliktpotenzial deutlich machen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Wie eine sektorenübergreifende Versorgung funktionieren kann, ist in drei Landkreises in Baden-Württemberg durchgespielt worden. Die Erkenntnisse führen zu Empfehlungen, die nicht jedem gefallen.

Wie eine sektorenübergreifende Versorgung funktionieren kann, ist in drei Landkreises in Baden-Württemberg durchgespielt worden. Die Erkenntnisse führen zu Empfehlungen, die nicht jedem gefallen.

© Gajus / Getty Images / iStock

STUTTGART. Baden-Württemberg hat in einem Modellprojekt in drei Landkreisen Möglichkeiten für eine sektorenübergreifende Versorgung ausgelotet. Die Handlungsempfehlungen der Studienautoren bleiben aber nicht unwidersprochen.

In einem aufwändigen Projekt, das von den Universitäten Frankfurt, Heidelberg und Stuttgart begleitet wurde, ist anhand der Krankheitsbilder Anorexie, chronischer Kreuzschmerz, Darmkrebs, Demenz, Depressionen, Diabetes Typ 1 und Typ 2 sowie Schlaganfall die Versorgungssituation in den Kreisen Reutlingen, Ravensburg und Biberach untersucht worden. Anhand von 212 Indikatoren ist der künftige Versorgungsbedarf abgeschätzt worden.

Am Ende des Verfahrens haben die Autoren Bausteine und Handlungsempfehlungen für eine sektorenübergreifende Versorgung präsentiert, die Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Montag vorgestellt hat. Dazu gehören:

»Die Einrichtung von Primärversorgungszentren, die auch mit der Umwidmung oder Schließung von Kliniken verbunden sein kann.

»Eine Gesundheitsplanung auf Ebene der Land- und Stadtkreise, die durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst koordiniert wird.

»Auf- und Ausbau von Kompetenzzentren für Patienten mit schweren und komplexen Erkrankungen. In diesen landkreisübergreifenden Zentren sollen Patienten von einem interprofessionellen Team versorgt werden.

Lucha: Ergebnisse gut übertragbar

Geht es nach Lucha, soll es nicht bei der Modellregion bleiben. Die Ergebnisse seien "gut auf andere Stadt- und Landkreise übertragbar", sagt Markus Jox, Sprecher des Sozialministeriums, auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Bei dem Projekt seien die Morbidität und der künftige Versorgungsbedarf für alle Regionen Baden-Württembergs ermittelt worden. Daher könnten auf dieser Basis auch andernorts sektorenübergreifenden Versorgungskonzepte entwickelt werden, so Jox.

Nach seinen Angaben werden im Ministerium jetzt die Umsetzungschancen der Vorschläge geprüft. "Die Vernetzung unter den Gesundheitsprofessionen muss ausgebaut werden", sagt der Sprecher.

Er mahnt ein Gesamtkonzept an, das über Modellprojekte hinausgeht. "Die Bund-Länder-AG zur sektorenübergreifenden Versorgung ist nun in der Pflicht zu liefern."

MEDI-Chef übt Kritik

Ganz anders fällt die Einschätzung des Modellprojekts bei Dr. Werner Baumgärtner aus, Vorsitzender des MEDI-Verbunds Baden-Württemberg. Die ambulante Gesundheitsversorgung sei "nach wie vor eine Domäne freiberuflicher Ärzte", erinnert er.

Baumgärtner warnte, diese Struktur durch "lokale Gesundheitszentren zu ersetzen, in denen Fachärzte erst gar nicht vorkommen". "Tragen dann die Kommunen auch das finanzielle Risiko für diese Einrichtungen?", fragt der MEDI-Chef.

Konzepte, um die Versorgung von morgen zu sichern, gebe es im Südwesten. Baumgärtner erinnerte an Haus- und Facharztverträge sowie von Freiberuflern getragene Medizinische Versorgungszentren, deren Gründung MEDI unterstütze.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Blaupause zur rechten Zeit?

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