Bundestag

An der Beschneidung scheiden sich die Geister

Die Debatte zur Beschneidung von Jungen hat gezeigt: Der Bundestag tendiert dazu, religiöse Rituale nicht anzutasten. Für Kinder- und Jugendärzte bleibt die Beschneidung Körperverletzung.

Von Johanna Dielmann-von Berg Veröffentlicht:
Zirkumzision, der vermutlich häufigste Eingriff weltweit. Die Beschneidung von Jungen ist Gegenstand einer kontroversen Debatte im Bundestag.

Zirkumzision, der vermutlich häufigste Eingriff weltweit. Die Beschneidung von Jungen ist Gegenstand einer kontroversen Debatte im Bundestag.

© Kai Nietfeld / dpa

BERLIN. Im Bundestag herrscht keine Einigkeit beim Thema Beschneidung von Jungen. Quer durch alle Fraktionen verläuft die Grenze zwischen den Befürwortern und Gegner des Gesetzentwurfs von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Der sieht vor, dass eine Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt erlaubt sein soll, und nicht in allen Fällen müssen Ärzte den Eingriff vornehmen.

Justizministerin rührt die Werbetrommel

Leutheusser-Schnarrenberger warb in der Bundestagsdebatte am Donnerstagnachmittag für den Regierungsentwurf. Sie bekräftigte, dass Eltern von Gesetzes wegen her die Pflege der Kinder anvertraut werde.

Es sei daher davon auszugehen, dass Eltern auch bei der Beschneidung in dem Glauben handelten, dies zum Wohl des Kindes zu entscheiden.

Jüdische Eltern etwa seien sich sicher, durch die Beschneidung ihrer Söhne deren Wohl zu gewährleisten, da diese damit erst in die Gemeinschaft aufgenommen würden, erläuterte Norbert Geis (CSU).

Ähnlich sah dies auch Jerzy Montag von den Grünen. Dennoch forderte er, dass in den Gesetzentwurf der Regierung aufgenommen wird, dass sich Eltern nicht nur am Kindeswillen zu orientieren, sondern zu befolgen haben.

Zudem sollen Beschneider nur die ersten 14 Tage nach der Geburt den Eingriff vornehmen dürfen und nicht wie bisher vorgesehen in den ersten sechs Monaten, sagte Montag.

Antisemitische Vergangenheit Deutschlands beeinflusst Diskussion

Immer wieder blitzte auf, wie sehr die öffentliche Diskussion über die Beschneidung von der antisemitischen Vergangenheit Deutschlands beeinflusst wird.

Jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland sei ausdrücklich erwünscht, betonten die Redner aller Fraktionen. "Beschneidung ist mir fremd", sagte etwa Burkhard Lischka (SPD).

Aber er wolle muslimischen und jüdischen Bürgern das Recht darauf nicht absprechen. "Strafrecht darf kein Instrument zur kulturellen Belehrung sein", warnte er.

So sieht es auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie forderte, dass die Politik aufgrund des Kölner Urteils adäquate Bedingungen für Beschneidungen bestimmen müsse.

Ob Beschneidungen aus religiösen Motiven tatsächlich notwendig seien, müssten die Religionsgemeinschaften selbst klären.

Deutlich weniger Redner unterstützten den Alternativ-Entwurf der kinderpolitischen Sprecherinnen der Oppositionsparteien, Marlene Rupprecht (SPD), Diana Golze (Linke) und Katja Dörner (Grüne).

Sie schlagen vor, dass Jungen mit 14 Jahren selbst entscheiden dürfen, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht. In Deutschland werden Jugendliche mit 14 Jahren religionsmündig.

Das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes wiege schwerer als die Religionsfreiheit der Eltern, argumentierte Rupprecht.

Mehr zum Thema

„Zukunftspapier“ veröffentlicht

17 Wünsche der KV Bremen für die Versorgung von morgen

ÖGD-Bundeskongress

Sozial belastete Familien: Schwer erreichbar für Hilfe

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen