Arzneihersteller sollen Infolücken bei Patienten schließen

Pharmaindustrie und Patienteninformation - ein Widerspruch? Experten meinen: Nein, künftig müsse die Industrie sogar vermehrt im Sinne der Patienten in die Bresche springen. Allerdings nur nach bestimmten Regeln.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Gesundheitscoaching von Firmen für Patienten? Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Gesundheitscoaching von Firmen für Patienten? Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

© nyul / fotolia.com

BERLIN. Die Klagen der Ärzteschaft werden immer lauter: Es bleibt kaum noch Zeit für das individuelle Gespräch mit dem Patienten. "Kostendruck und überbordende Bürokratie haben die ärztliche Tätigkeit im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert - und beides geht zu Lasten der Zeit", sagte die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Martina Henrich bei der UCB-Pharma-Veranstaltung "Gesundheitscoaching durch die Industrie - Nutzen für den Patienten?".

Unprofessionelle Patienteforen im Internet

Patienten fühlten sich oft nach der Diagnose und der Therapieverordnung allein gelassen. "Nicht selten suchen sie dann im Internet in unprofessionellen Patientenforen Hilfe", warnte Henrich. Oder sie nähmen die verordneten Medikamente gar nicht erst ein. Das wiederum verursache massive Schäden im Gesundheitssystem: Jedes Jahr entstünden Kosten von bis zu zehn Milliarden Euro.

"Informationen aus erster Hand wären also wünschenswert", betonte Henrich. Sie sieht die Pharmafirmen in der Pflicht, diese zu liefern. Doch die Spielregeln müssten klar definiert sein: Der Arzt bleibt der Lotse im System. Informationen für die Patienten durch die Industrie könnten nur eine Ergänzung sein.

Schließlich habe der Patient Vertrauen zu seinen Ärzten. Darüber hinaus dürfe es keine Werbung geben. "Der Patient würde ein Produktmarketing eh schnell durchschauen", so Henrich.

Patienteninformationen nicht nur für Arzneimittel

Aus Sicht des GKV-Experten Rolf Stuppardt sollte sich die Patienteninformation durch die Pharmaindustrie nicht nur auf die klassischen Produkte, also Arzneimittel, beschränken. "Verlangt werden vielmehr zugleich Informationen über Krankheiten, ihre Vermeidung und auch über die nicht medikamentösen Behandlungsalternativen", so Stuppardt.

Für die Pharmafirmen geht es jedoch um weit mehr, als lediglich Informationsmaterial für die Patienten zur Verfügung zu stellen: "Wir wollen ein ganzheitliches Versorgungsmanagement für die Patienten erreichen, das den Patientennutzen in den Vordergrund stellt", betonte UCB Pharma-Sprecher Steffen Fritzsche.

Mit anderen Worten: Das Unternehmen will nicht ausschließlich Medikamente herstellen, sondern auch Versorgungsdienstleister werden. Bereits jetzt gebe es aber beispielsweise eine Internetplattform für Epileptiker (www.epilepsie-im-griff.de).

Compliance-Programm für Patienten

Dabei handle es sich um ein individualisiertes Compliance-Programm für Patienten. Mit regelmäßigen E-Mails und Checklisten für das Arztgespräch hat der Pharmahersteller nach eigenen Angaben die Therapietreue der Patienten um bis zu 38 Prozent erhöht.

Die Anfälle der Epileptiker hätten sich sogar um 46 Prozent reduziert. Das habe eine Patientenbefragung vor und am Ende des Programms ergeben, so Fritzsche.

Das Angebot des Pharmaunternehmens soll langfristig um Gesundheitscoaching für Patienten ergänzt werden. Bis dahin sei es allerdings noch ein weiter Weg, so Fritzsche. Das Programm für Epileptiker sei ein erster Schritt in diese Richtung.

Lesen Sie dazu auch: Patienten lechzen nach Informationen

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