Pflegebedürftigkeit

Auf den Schultern der Angehörigen liegt oft eine große Last

Einen nahestehenden Menschen im Alter zu pflegen kann eine Bereicherung sein. Meist jedoch ist die Aufgabe mit körperlicher und seelischer Belastung verbunden. Das zeigt die Studie eines privaten Krankenversicherers. Die Ergebnisse sind auch für die stationäre Pflege durchaus von Bedeutung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Manchmal kann die Pflege von Angehörigen auch dem Pfleger viel zurückgeben.

Manchmal kann die Pflege von Angehörigen auch dem Pfleger viel zurückgeben.

© CandyBox Images / Fotolia.com

Ein Großteil der Menschen, die privat einen Angehörigen pflegen, fühlt sich dadurch stark belastet. Mehr als die Hälfte der Pflegenden berichtet über körperliche und emotionale Erschöpfung. Zudem machen sich viele Sorgen darüber, wie es künftig weitergeht.

Das zeigt eine Studie des privaten Krankenversicherers Continentale. TNS-Infratest hatte in dessen Auftrag im Juli dieses Jahres 1000 Menschen ab 18 Jahren online befragt, die aktuell oder in den vergangenen fünf Jahren mindestens eine Person privat gepflegt oder betreut haben. Die Befragung ist für Deutschland bevölkerungsrepräsentativ.

Trotz der großen Bedeutung der privaten Pflege sei noch viel zu wenig über diesen Bereich bekannt, sagte der Vorstandsvorsitzende der Continentale-Gruppe Dr. Christoph Helmich auf dem PKV-Forum des Versicherers in Köln. "Wir wissen nicht, wie es den Menschen geht, die dieser Aufgabe nachgehen."

Jeder Zweite betreut die eigenen Eltern

Die Continentale-Studie zeigt nun erste Zahlen. 60 Prozent der Pflegenden sind danach Frauen, 69 Prozent sind jünger als 60 Jahre und 56 Prozent berufstätig. 45 Prozent pflegen oder betreuen ihre Eltern, 21 Prozent andere Verwandte, 14 Prozent Lebens- oder Ehepartner, 12 Prozent nicht verwandte Personen, 10 Prozent die Schwiegereltern und vier Prozent die eigenen Kinder.

23 Prozent gaben in der Befragung an, dass sie sich durch die Pflege oder Betreuung sehr stark belastet fühlen. Jeder Zweite (48 Prozent) sprach immerhin von einer starken Belastung, 25 Prozent von einer wenigerer starken. Nur für fünf Prozent stellt der persönliche Einsatz keine Belastung dar.

Bei den negativen Auswirkungen der Pflegetätigkeit steht mit 63 Prozent die körperliche Erschöpfung an der Spitze, gefolgt von der emotionalen und seelischen Erschöpfung (62 Prozent) und der Vernachlässigung eigener Bedürfnisse nach Freizeit, Hobbys und persönlichem Freiraum (60 Prozent). Für je 43 Prozent sind der Rückgang sozialer Kontakte und die Überforderung bei medizinischen Sachverhalten ein Problem.

Die Pflegenden sehen in ihrem Einsatz aber auch positive Effekte. So haben 76 Prozent die Empfindung, dass sie einer Person, die schon viel für sie getan hat, etwas zurückgeben können. 74 Prozent ziehen positive Energie und Zufriedenheit aus der Nähe zu dem Pflegebedürftigen, 63 Prozent erhalten emotionale oder praktische Unterstützung durch Partner, Familie oder Freunde. Der Aussage "Mein soziales Ansehen ist gestiegen" können allerdings nur 35 Prozent zustimmen.

Insgesamt finden 45 Prozent, dass sich positive und negative Auswirkungen der Pflegetätigkeit die Waage halten, bei 31 Prozent überwiegen die positiven Auswirkungen, bei 22 Prozent die negativen.

Praktische Hilfe ist der dringendste Wunsch

Auf der Rangliste der gewünschten Entlastungen steht die praktische Hilfe ganz oben. Sie nannten 53 Prozent als wichtigsten oder zweitwichtigsten Aspekt. Für 38 Prozent hat der emotionale Beistand große Bedeutung, für 37 Prozent zählt vor allem die finanzielle Entlastung.

Die größte Zukunftssorge der pflegenden Angehörigen ist, dass sich der Zustand des zu Pflegenden weiter verschlechtert. Das trifft bei 77 Prozent zu. 63 Prozent fürchten, dass sie die Pflege auf längere Sicht emotional und seelisch nicht bewältigen werden, 59 Prozent sehen körperliche Grenzen. Mit 52 Prozent geht gut die Hälfte davon aus, dass sich der eigene Beruf und die Pflege auf Dauer nicht in Einklang bringen lassen.

Die Nicht-Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sieht Dr. Ralf Suhr, der Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Qualität in der Pflege als zentrale Herausforderung. "Wir müssen für erwerbstätige Pflegende Lösungen finden", sagte er auf dem PKV-Forum. "Wenn wir das informelle Pflegepotenzial erhalten wollen, muss diese Frage auf der politischen Agenda nach oben wandern." Großen Handlungsbedarf sieht der Arzt auch beim Ausbau der Prävention in der Pflege.

Nicht nur die professionell Pflegenden leiden darunter, dass ihre Arbeit häufig nicht die notwendige Anerkennung erhält, berichtete Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. "Die mangelnde Wertschätzung betrifft auch die Angehörigen." Sie plädierte dafür, das Zusammenwirken von privater und professioneller Pflege neu zu definieren. "Wir brauchen mehr Durchlässigkeit." So müssten die Angehörigen bei der stationären Pflege eine stärkere Rolle spielen können, forderte Jansen.

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