Familienpflegezeit

Kann man Beruf und Pflege vereinen?

Die Familienpflegezeit soll Berufstätige entlasten, die neben dem Job Angehörige pflegen. Doch die Möglichkeiten werden kaum genutzt. Geht das SPD-Modell an der Lebenswirklichkeit vorbei?

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BERLIN. 39.000 Berufstätige haben seit der Einführung Anfang 2015 die Möglichkeit einer Familienpflegezeit genutzt. Angesichts der Vielzahl pflegender Berufstätiger sei das nur ein Bruchteil, betonen Kritiker.

Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz etwa sieht "keinen Grund für Jubelmeldungen". Das Pflegezeit-Modell gehe an den realen Bedürfnissen vorbei. "Von den 360.000 pflegenden Berufstätigen nimmt nicht mal jeder Zehnte das Pflegezeitmodell in Anspruch."

Hintergrund: Voll- oder Teilzeit-Ausstieg aus Job, um Angehörige zu pflegen

Die Familienpflegezeit sieht vor, dass Berufstätige für sechs Monate aus dem Beruf aussteigen oder bis zu 24 Monate verkürzt arbeiten können, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht das Modell trotz der Kritik auf einem guten Weg. "Die Neuregelungen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf greifen", sagte sie jüngst. "Die Auszeiten werden erfreulicherweise mehr und mehr in Anspruch genommen."

Das derzeitige Modell bleibt laut Patientenschützer Brysch aber unattraktiv, so lange nicht auch für mehrmonatige Auszeiten ein steuerfinanziertes Pflegezeitgeld ähnlich dem Elterngeld gezahlt werde.

Forderung: Pflegegeld statt Darlehen

Die durchschnittliche Höhe des Darlehens bei einer Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz, zeigte die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, betrug bei Frauen 2015 monatlich 346,76 Euro, bei Männern 482,39 Euro.

Auch die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, nannte die Pflege-Auszeit lebensfern. "39.000 Personen sind nicht viele - bei mindestens einer Million berufstätiger pflegender Angehöriger. Statt Zahlen zu verkünden sollte Frau Schwesig rausfinden, warum so viele die Pflegezeiten nicht in Anspruch nehmen."

Unwissenheit könnte eine entscheidende Rolle spielen. So gaben bei einer Befragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege 84 Prozent an, sie fühlten sich "eher schlecht" oder "sehr schlecht" über die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege informiert. (jk/dpa)

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