Auf persönliche Betreuung durch Arzt und Apotheker kommt es an

Sie suchen den Schulterschluss mit Hausärzten: Apotheker sollen mit persönlicher Betreuung chronisch Kranker die Arzneimitteltherapie sicherer und wirksamer machen. Darum, so ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf, soll dem Versandhandel die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel verboten werden.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Plädiert für strengere Fortbildungsregeln - ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf.

Plädiert für strengere Fortbildungsregeln - ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf.

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ApothekerPlus: Herr Wolf, das Motto des diesjährigen Apothekertages ist "Arzneimittelversorgung - mit Sicherheit". Was verbirgt sich dahinter?

Heinz-Günter Wolf: Dahinter verbergen sich mehrere Komponenten: Die Arzneimittelsicherheit selbst. Denn Arzneimittel sind keine Nudeln. Ärzte und Apotheker wissen, dass man mit Arzneimitteln sehr viel falsch machen kann. Deswegen wollen wir uns um verschiedene Sicherheitsaspekte kümmern.

ApothekerPlus: In dem Zusammenhang ist auffällig, dass die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA in den letzten Monaten sehr stark das Problem Versandhandel und Arzneimittelfälschungen thematisiert. Was sind die Gründe dafür?

Wolf: Die Apotheker haben vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Das ist eine hochverantwortliche Aufgabe, der wir uns stellen. Das Handwerk haben wir auch gelernt. Nun kommen da einige Komponenten hinein, die in der Tat den Sicherheitsaspekt sehr stark berühren: die Arzneimittelfälschungen aus dem Ausland und über das Internet. Wir haben vom Gesetzgeber in unser Stammbuch geschrieben bekommen, die Patienten persönlich und intensiv zu betreuen, damit der Erfolg der vom Arzt verordneten Therapie auch eintritt. Mit dem Versandhandel ist gesetzlich eine Möglichkeit geschaffen worden, darauf zu verzichten und diese Pflichten zu umgehen. Das ist nicht kompatibel mit dem Auftrag eines Apothekers.

ApothekerPlus: Das Problem der Arzneimittelfälschungen tritt aber nur auf im Zusammenhang mit illegalem Internethandel, mit dubiosen Anbietern aus Fernost oder Russland. Wie kann man dem einen Riegel vorschieben?

Wolf: Von dort gibt es verstärkt Fälschungen. In einer Studie kommt das Bundeskriminalamt zu dem Schluss, dass man den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel eigentlich verbieten sollte. Denn der Bürger kann ja, wenn er im Internet surft, überhaupt nicht unterscheiden, ob er eine seriöse Apotheke vor sich hat, die im Nachbarort sein kann, oder ob es sich um eine Fake-Apotheke handelt. Man kann es dem Bürger und Patienten nicht zumuten, sich auf gut Glück auf die Seriosität eines Arzneimittel-Versenders zu verlassen. Darum sind wir konsequent der Meinung: Wenn der Gesetzgeber will, dass wir als Apotheker persönlich verantwortlich die Arzneimittelversorgung übernehmen, dann muss auch der Schwarzmarkt bekämpft werden.

Aber: Ich gebe zu, den illegalen Handel aus dem Ausland zu verbieten, das ist ganz schwer. Denn die deutschen Gesetze enden an der Staatsgrenze.

ApothekerPlus: So argumentiert der Bundesverband Deutscher Versandapotheken auch mit Daten des Bundeskriminalamtes, beim legalen Versandhandel aus einer deutschen oder EU-Apotheke seien keine Fälschungen festgestellt worden. Würde man nun diesen legalen Versandhandel unterbinden, dann würde erst recht den Illegalen Tür und Tor geöffnet werden.

Wolf: Das ist aus mehreren Gründen Unsinn. Dieser Verband spricht nur für etwa 20 Mitglieder. Außerdem können wir nicht einen Versorgungsweg gut finden, bei dem eine persönliche Beratung gar nicht vorgesehen ist. Und diese Begegnung ist aus Sicherheitsgründen notwendig - und auch, um den Patienten zu begleiten.

ApothekerPlus: Spielen nicht auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle, ein Versandverbot zu fordern?

Wolf: Nein. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten hat einen Marktanteil von etwa einem Prozent. Und er wächst auch nicht. Der Preiswettbewerb, das hat der Europäische Gerichtshof Ende 2003 entschieden, soll bei der Selbstmedikation stattfinden.

ApothekerPlus: Was leistet nun der Apotheker als Sicherheitsbeitrag?

Wolf: Er muss Partner des Patienten sein. Der Patient muss nicht nur von einem Arzt seines Vertrauens, beispielsweise dem Hausarzt, sondern auch von einem Apotheker begleitet werden. Nennen wir ihn den Hausapotheker.

ApothekerPlus: Stichwort Hausapotheker. Hier hat es im Rahmen der Integrationsversorgung und der Hausarztverträge mit der Barmer Ersatzkasse auch das Modell des Hausapothekers gegeben. Darum ist es sehr still geworden. Ist das Projekt im Sande verlaufen?

Wolf: Nein. Für den Vertrag wird es einen Relaunch geben, eine Neuauflage. Diese Frage ist sehr wichtig: Denn dieses Modell ist gemeinsam vom Deutschen Hausärzteverband und dem Deutschen Apothekerverband entwickelt worden - mit dem ganz wichtigen Ziel, die Zusammenarbeit zwischen dem Hausarzt und dem Apotheker zu institutionalisieren. Da kann man noch eine ganze Menge mehr machen, die Kommunikation zu verbessern. Auf dem Land funktioniert das meistens auch ohne Vertrag, weil man sich kennt. Aber das sind oft Zufallsprodukte. Und das wollen wir ändern, um die Versorgung besser und sicherer zu machen.

ApothekerPlus: Der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen hat bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass mangelnde oder fehlende Compliance von Patienten wahrscheinlich die bedeutendste Ursache für Unwirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung ist. Was kann der Apotheker tun, um die Versorgung wirksamer zu machen?

Wolf: Die gemeinsame Verabredung, den Patienten zu begleiten. Ich möchte hier nicht von Kontrolle sprechen, weil das negativ besetzt ist. Aber es ist schon nötig, mit dem Patienten darüber zu sprechen und es zu dokumentieren, ob der Patienten das tut, was der Arzt angeordnet hat, etwa die regelmäßige Einnahme. Mit einer Dokumentation kann der Apotheker feststellen, ob der Patient zu früh oder zu spät mit einer neuen Verordnung kommt. Dann kann der Apotheker den Gründen nachgehen. Vielleicht ist es Vergesslichkeit, vielleicht gibt es aber auch medizinische Gründe wie mangelnde Verträglichkeit. Dann muss der Apotheker das Gespräch mit dem Hausarzt suchen.

ApothekerPlus: Der Barmer-Haus- apotheker-Vertrag sah vor, dass der Apotheker eine Medikamenten-Dokumentation macht. Wie ist das von den Patienten akzeptiert worden?

Wolf: Sehr gut. Das können wir gut beurteilen, weil die Patienten dafür ihr Einverständnis geben mussten. Vor allem die chronisch Kranken fanden das gut. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Viele Patienten waren der Meinung, dass wir das sowieso schon machen. Der chronisch Kranke erwartet eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Apotheker.

ApothekerPlus: Lassen Sie uns noch einmal zum Apothekertag zurückkommen. Es gibt Apothekerkammern wie Westfalen-Lippe, die ein sehr striktes Programm zur Rezertifizierung einführen. Würde so etwas in der Breite der Apothekerschaft Zustimmung finden?

Wolf: Ob das westfälische Modell Zustimmung findet, werden wir sehen. Die Bundesapothekerkammer wird jedenfalls nicht um eine Vereinheitlichung der qualitätssichernden Maßnahmen herumkommen. Das ist ein großes Thema. Das klare Ziel ist: einheitliche Maßstäbe für die Qualität und das Qualitäts-Management und eine Verdoppelung der Fortbildungszahlen. Und das muss schnellstmöglich umgesetzt werden.

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