Ambulantisierung der Medizin

Barmer will mehr Vertragsarzt und weniger Krankenhaus

An einem Umbau der Kliniklandschaft kommt eine wie auch immer zusammengesetzte neue Bundesregierung wohl kaum vorbei. Jetzt hat sich die Barmer mit einem Reformpapier zu Wort gemeldet.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Die Barmer fordert, dass Pflegekosten künftig wieder über die Klinik-DRG finanziert werden.

Die Barmer fordert, dass Pflegekosten künftig wieder über die Klinik-DRG finanziert werden.

© ROBIN UTRECHt / picture-alliance

Berlin. Die Krankenkasse Barmer hat die nächste Regierung im Bund zu einem zügigen Umbau der Kliniklandschaft aufgerufen. „Es geht um eine konsequente Reform des Krankenhauswesens in Deutschland – je schneller, desto besser“, sagte Barmer-Vorstandschef Professor Christoph Straub am Donnerstag vor Journalisten in Berlin.

Bereits seit Jahrzehnten bestehende strukturelle Mängel müssten beseitigt werden, forderte Straub. Aufgrund der hohen Krankenhausdichte konkurrierten Kliniken „sinnlos“ um Personal sowie um Betriebs- und Investitionsmittel. Die Leistungen orientierten sich zu wenig am Bedarf und Patienten erhielten nicht immer die bestmögliche Versorgung.

Sinnlose Konkurrenz um Personal

Dabei seien die Kosten riesig, so der Kassenchef. Schon heute beliefen sich die Klinikausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf jährlich rund 90 Milliarden Euro. Schon bald steuerten sie auf 100 Milliarden Euro zu. Viele Bundesländer schrieben ihre Krankenhauspläne seit Jahren fort. Auch kämen sie ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionskosten nur ungenügend nach.

Ziel einer Neuordnung der Kliniklandschaft sei es nicht, eine beliebige Zahl von Kliniken vom Markt zu nehmen, betonte Straub. Leitfäden einer Reform müssten mehr Versorgungsqualität und Patientensicherheit sein.

Es geht um eine konsequente Reform des Krankenhauswesens – je schneller, desto besser.

Professor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer

So sollten nur noch jene Häuser schwer erkrankte Patienten versorgen, die über entsprechende Medizintechnik und genügend qualifizierte Ärzte und Pflegende verfügten, sagte Straub mit Verweis auf ein Reformpapier des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung. Darin schlägt die Kasse unter anderem folgende Punkte vor, die sich in einem Koalitionsvertrag wiederfinden müssten:

  • Planung nach Versorgungsstufen: Kleinere Häuser sollen die wohnortnahe Grund- und Regelversorgung sicherstellen, Maximal- und Spezialversorger schwere Eingriffe vornehmen. „Forschungsorientierte Kompetenzzentren“ sollen sich um Patienten mit seltenen Erkrankungen kümmern. Mindestmengen will die Kasse „ohne Ausnahme“ zur Pflicht machen, um „Spezialisierung“ voranzutreiben.
  • Anreize zur Ambulantisierung: Um die Sektorengrenzen zu schleifen, schlägt die Barmer eine gemeinsame Vergütung für Kliniken und Vertragsärzte vor – ebenso eine gemeinsame Bedarfsplanung. Zudem braucht es laut Kasse mehr Anreize zur Ambulantisierung stationärer Leistungen. Dafür soll der Katalog für ambulante Operationen „deutlich“ ausgeweitet werden – hin zu einem „Katalog ambulanter Leistungen“. Es gehe nicht „einseitig“ darum, bislang stationäre Leistungen in den vertragsärztlichen Sektor zu überführen, sagte Straub. Aber: „Wenn wir vorhandene Ressourcen sinnvoll nutzen wollen, dann müssen wir die vertragsärztliche, ambulante Versorgung viel stärker in diesen Bereich mit hineinnehmen.“
  • Reform der Vergütung: Grundsätzlich hat sich das DRG-System laut Barmer bewährt. Dennoch gebe es Reformbedarf. Die Kasse schlägt vor, „in einem ersten Schritt“ die Pflegekosten wieder in die Fallpauschalen einzugliedern. „Denn die Ausgliederung setzt Fehlanreize, da sie zur teilweisen Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips geführt hat“, heißt es im Papier der Kasse. Zudem sollen sowohl DRG als auch Vorhaltekosten nach den genannten Versorgungsstufen „differenziert“ werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Herauslösung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen beim „Deutschen Pflegetag“ am Mittwoch als sinnvoll eingestuft. „Es kann nicht mehr zulasten der Pflege gespart werden.“ Ärzteverbände wie der Marburger Bund oder der Bund Deutscher Internisten hatten zuletzt darauf gedrungen, auch die Arztkosten aus den Fallpauschalen herauszunehmen. Ansonsten drohe ein massiver Stellenabbau bei Klinikärzten.

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