Künstliche Intelligenz und Robotik

Beim Weltwirtschaftsforum 2018 stehen Gesundheit und Versorgung prominent auf der Agenda

Davos bietet diese Woche der Elite aus Wirtschaft, Politik und Forschung wieder die große Bühne für den visionären Gedankenaustausch – zum Beispiel über den Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz im medizinischen Kontext.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

DAVOS. Wird eine Ratte der heimliche Star beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos? RoboRat hätte es zumindest verdient. Bei RoboRat handelt es sich um einen von Forschern der ETH und der Uni Zürich entwickelten Prototypen einer Roboter-Laborratte, die für ihr intelligentes, Tier-imitierendes Verhalten eingebaute künstliche neuronale Netzwerke nutzt. Nach eigenen Angaben verbinden die Forscher bei RoboRat neuromorphe Sensoren und Prozessoren mit Robotern, um diese eigenständig handlungsfähig zu machen. Die energiesparende Technik soll den Weg für revolutionäre Neuroprothesen ebnen – und damit für Gehirn-Computer-Schnittstellen. Auch assistive Roboter, zum Beispiel im pflegerischen oder medizinischen Versorgungskontext, könnten die Technik nutzen.

RoboRat, entwickelt von Forschern der ETH und der Uni Zürich.

RoboRat, entwickelt von Forschern der ETH und der Uni Zürich.

© ETH Zürich

Künstliche Intelligenz (KI) gilt inzwischen bei vielen dem technischen Fortschritt zugewandten Wissenschaftlern, Managern, aber auch Politikern als Segnung der Zukunft. "Letztendlich wird KI die Menschen einfacher, gesünder, sicherer und produktiver machen", prophezeit Tiger Tyagarajan, Chef des aus General Electric hervorgegangenen KI-Spezialisten Genpact. Er wird von Dienstag an in Davos wie viele andere hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Forschung zum visionären, interdisziplinären Austausch über die Gestaltung der Zukunft mit dabei sein. Einen Schwerpunkt beim Forum nimmt dieses Jahr die Gesundheit ein.

Enormes disruptives Potenzial vor allem in Afrika

"Die vierte industrielle Revolution könnte das Gesundheitswesen komplett transformieren", prognostiziert Patrice Matchaba, bei Novartis Global Head of Corporate Responsibility, in einem Beitrag auf der Website des Weltwirtschaftsforums. "Von Big Data bis zur Genomik, die Verschmelzung der technologischen Durchbrüche im physikalischen, digitalen und biologischen Bereich verändert die fundamentalsten Werkzeuge und Techniken in der Medizin und öffentlichen Gesundheit", ergänzt Matchaba. Er verweist explizit auf das IBM-Projekt Watson. Der Supercomputer gleicht als kognitives Assistenzsystem in Windeseile Patientendaten mit Studiendaten zur verfeinerten Diagnosestellung ab. Aufgrund seiner hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten dürfte er in der flächendeckenden Versorgung allerdings nur eine begrenzte Rolle spielen – zumindest mittelfristig.

Eine Medizin und Pflege 4.0 biete unter Ausnutzung aller Ressourcen die Chance, patientenindividuelle Lösungen anzubieten. Die große Frage, die sicherlich auch in Davos nicht zu klären sein wird, ist die, wer diese Hightech-gestützte Versorgung bezahlen soll. Matchaba setzt auf kostengünstige Lösungen und sieht vor allem in Afrika sowie Lateinamerika und in Teilen Asiens großes disruptives Potenzial für die Versorgung. Für ihn seien viele Gesundheitssysteme der entwickelten Länder zu sehr auf die Versorgungsparadigmen des 20. Jahrhunderts eingenordet, sodass sie sich mit einem Bottom-up-Ansatz der Versorgung noch nicht wirklich anfreunden könnten. Sie fokussierten die kostenintensiven sekundären und tertiären Versorgungsstrukturen anstatt die Prävention zu fördern.

In Afrika aber, wo sich die Gesundheitssysteme derzeit rasant entwickelten, könnte die vierte industrielle Revolution im Gesundheitswesen greifen, so Matchaba. Prävention könnte durch den Einsatz moderner Telekommunikationsmittel und der online-basierten Unterstützung der Gesundheitsfachkräfte in die Fläche getragen werden, postuliert er.

Denn Afrika sei gleich zweifach gebeutelt: Stellen die übertragbaren Krankheiten, wie parasitäre Erkrankungen oder HIV schon ein immenses – für viele auch existenzielles – Problem dar, breiteten sich mit zunehmendem Wohlstand auch die nichtübertragbaren Krankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten auf dem schwarzen Kontinent aus. In naher Zukunft sollen Letztere die führende Todesursache in Afrika sein.

In Davos wollen die beiden Hilfsorganisationen Living Goods und Last Mile Health eine Initiative präsentieren, im Zuge derer knapp 50.000 kommunale Gesundheitsfachkräfte in Afrika und andernorts digital aufrüsten, um die Gesundheitsaufklärung vor Ort zu forcieren, indem sie von Haushalt zu Haushalt ziehen und das persönliche Gespräch suchen. Mit im Boot ist UBS.

Finanzierbare Innovationen auf der Agenda

Allein schon durch die Teilnehmer des diesjährigen Weltwirtschaftsforums – unter ihnen US-Präsident Donald Trump, dessen letzter medizinischer Check große mediale Aufmerksamkeit genoss – wird das Thema Gesundheit eine Aufwertung erfahren. Der Versorgung sind aber auch zentrale Diskussionsveranstaltungen gewidmet. Eine davon fokussiert unter dem Titel "The New Health Paradigm" die Frage, wie ein patientenzentriertes Gesundheitswesen die Industrie umkrempelt und wie Patienten, aber auch Unternehmen, von einer "Value Based Healthcare" profitieren. Dabei geht es um neue Modelle patientenzentrierter Versorgung, Anreize für eine nachhaltige Implementierung und Techniken für ein gerechteres Gesundheitswesen. Die Sitzung "A New Era for Global Health" widmet sich der Forschung und Entwicklung von Innovationen im medizinischen und pflegerischen Kontext – auch unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit und Risikobegrenzung. "Transforming Health in the Fourth Industrial Revolution" – unter diesem Titel nimmt sich die Expertenrunde unter anderem die Informatik, KI und Robotik sowie die Bildgebung der nächsten Generation zur Brust.

Welche Signalwirkung von Davos in Richtung Gesundheitswesen ausgeht, ist offen. Auf jeden Fall sind mehr als nur Sonntagsreden und Lippenbekenntnisse zu erwarten.

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