Arzneimittel

Bremst AMNOG Innovationen zu früh aus?

Arzneimittel im Spannungsfeld zwischen Zulassung und AMNOG-Verfahren? Experten warnen, dass die Nutzenbewertung Innovationen zu früh aushebelt.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Experten fürchten ein Auseinanderdriften der gesetzlich geforderten Zulassung und Ansprüchen für die Kostenerstattung eines Medikaments.

Experten fürchten ein Auseinanderdriften der gesetzlich geforderten Zulassung und Ansprüchen für die Kostenerstattung eines Medikaments.

© Sven Bähren / stock.adobe.com

BERLIN. Die Zulassung und Nutzenbewertung von innovativen Arzneimitteln sollte um einen "strukturierten Prozess der Wissensgenerierung" ergänzt werden. Das hat Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, auf einer Veranstaltung von Bayer Vital empfohlen. Zentrales Instrument könnte dabei ein "translationales Tumorboard" sein. Darin würden Fachärzte unterschiedlicher Disziplinen sowie Patientenvertreter zusammenarbeiten, um sich über einen Behandlungsprozess auszutauschen, ihn zu dokumentieren und auszuwerten.

Bruns will darüber verhindern, dass frisch zugelassene Behandlungsoptionen vom Markt wieder verschwinden, noch bevor sie das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben. Denn insbesondere Ärzte und Patienten würden davon profitieren, wenn in schwierigen Fällen zusätzliche Varianten zur Behandlung bereitstünden. Schließlich gehe es bei der Zulassung von neuen Wirkstoffen in erster Linie darum, die Behandlung des individuellen Patientenleidens zu verbessern.

So sehen es Krebspatienten und ihre Ärzte beispielsweise als ersten Erfolg, wenn ein Arzneimittel das Fortschreiten einer Tumorerkrankung mindern kann. Dieses "progressionsfreie Überleben" (PFS) sollte, so Bruns, ein Grund sein, die Behandlung mit diesem Medikament auch für die Zukunft als Option bereitzuhalten – zumindest für eine genau definierte Patientengruppe.

Dieses Denken werde jedoch durch die Logik des AMNOG-Verfahrens durchkreuzt. Die frühe Nutzenbewertung zielt in erster Linie darauf ab, Kosten in der Versorgung einzusparen. Der Zusatznutzen wird daher nur dann anerkannt, wenn das neue Medikament das Gesamtüberleben der Patienten im Vergleich zum bisherigen Standard deutlich verbessert.

Insbesondere die Onkologen befürchten, dass vielversprechende Innovation sich deswegen erst gar nicht auf dem Markt etablieren können. "Mit der gegenwärtigen Praxis der frühen Nutzenbewertung überfordert man schlicht die Evidenz, die zum Zeitpunkt der Zulassung vorliegt", sagte Bruns. Bestenfalls lasse sich das Potenzial eines Medikaments abschätzen. Genauere Daten könnten erst im Versorgungsalltag generiert werden.

Für das "Auseinanderdriften der gesetzlich geforderten Zulassung und der Erfüllung von Ansprüchen für die Kostenerstattung eines Medikaments" müsse, so Bruns, eine neue Lösung gefunden werden. Nötig sei eine "geschickte Strategie", mit der Behandlung, Forschung und Entwicklung enger verzahnt und die Abstimmung mit den Leistungserbringern besser abgestimmt werden könnten. Alle Beteiligten würden zudem davon profitieren, wenn ein translationales Tumorboard mehr Wissen zu einer spezifischen Behandlung zusammentrage.

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