Kongress

Chirurgen zwischen Innovation und Kostendruck

Patientennähe, Versorgungsqualität, interprofessionelle Kooperation: Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) stellt sich in München konsequent den Herausforderungen der Zukunft.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Chirurgen bei der Arbeit: Der Kostendruck wächst, zugleich steigt die Zahl der Eingriffe.

Chirurgen bei der Arbeit: Der Kostendruck wächst, zugleich steigt die Zahl der Eingriffe.

© Antonio Diaz/fotolia.com

MÜNCHEN. Die Chirurgie hat in den letzten Jahren von vielen technologischen Innovationen profitiert. Demgegenüber drohen Kosten- und Effizienzdruck die Qualität zu mindern. Das kritisierte Professor Tim Pohlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), am Mittwoch im Vorfeld des 134. DGCH-Kongresses vom 21. bis 24. März in München.

Für deutsche Kliniken würden zum Beispiel Betreuungsschlüssel von eins zu acht bis eins zu zwölf berichtet. Damit sei Deutschland weit schlechter aufgestellt als andere Länder. Im internationalen Vergleich seien Schlüssel von eins zu fünf oder eins zu vier üblich. Im OP-Bereich und der Intensivversorgung zeige sich das Problem kaum, dafür umso mehr auf den Stationen. "Wir haben es möglicherweise versäumt, dass auch die peri-operative Medizin nachpersonalisiert werden muss", so Pohlemann. Gerade weil Patienten heute nur sehr kurz an der Klinik seien, sei die prä- und postoperative Versorgung zentral.

Mindestmengen im Fokus

Als einer der relevanten Faktoren für Qualität stehen zudem Mindestmengen für chirurgische Eingriffe im Blickpunkt. Dazu stellte Professor Hans-Joachim Meyer fest, dass die Umsetzung der seit 2004 per GKV-Modernisierungsgesetz beschlossenen Mindestmengen bis heute nicht gelinge. Der DGCH-Generalsekretär und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Chirurgen (BDC) nannte konkrete Zahlen. Bei Pankreaseingriffen erreichten einer aktuellen Studie zufolge nur 44 Prozent der Kliniken die Mindestmenge, bei Speiseröhrenoperationen sogar nur 28 Prozent der Kliniken. Dabei verbesserten Mindestmengen nachweislich den Behandlungserfolg. Das Problem: Die Krankenkassen bezahlten, anders als vorgesehen, die Operationen dennoch.

Laut Krankenhaus-Report 2017 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigte sich an Kliniken ohne Mindestmengen unter anderem eine höhere Sterblichkeit bei Bauchspeicheldrüseneingriffen, bei der Endprothetik gab es mehr Wiederholungsoperationen. "Wir brauchen Qualitäts- und Strukturvorgaben", forderte Meyer. Eine Zentrumsbildung sei zu befürworten. Nicht jede kleine Klinik könne jeden Eingriff durchführen.

Im Kongressprogramm steht ferner die Notfallversorgung, mit Schwerpunkt auf mögliche terroristische Angriffe. Entsprechende Kenntnisse gebe es in Deutschland, sie seien in den letzten Jahrzehnten aber kaum benötigt worden, hieß es bei der Programmvorstellung. Thema sind unter anderem zivil-militärische Kooperationen in Notfällen. Darüber hinaus geben Mitarbeiter der Bundeswehr ihre Erfahrungen aus Auslandseinsätzen weiter. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) bietet einen Pilotkurs an, um möglich Helfer fit zu machen für die Bewältigung anschlagsassoziierter Verletzungen.

Erstmals ein Patiententag

Die Kurse eignen sich für Ärzte, Rettungsdienstmitarbeiter und Pflegekräfte im Akutbereich.

Interprofessionelle Kooperation wird auf dem diesjährigen Kongress auch sonst groß geschrieben. Eine Vielzahl von Organisationen ist erstmals beteiligt, darunter der Deutsche Berufsverband Rettungsmedizin, das Bayerische Rote Kreuz, der Deutsche Pflegerat und das Aktionsbündnis Patientensicherheit.

Erstmals gibt es in diesem Jahr auch einen Patiententag, um Bürgern die Möglichkeiten der Chirurgie transparenter zu machen.

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