Umfrage

Corona setzt pflegende Angehörige zusätzlich unter Druck

Die Corona-Krise belastet auch die häusliche Pflege, so eine neue Studie. Pflegende Angehörige berichten von wachsender Unsicherheit und Angst – auch weil Unterstützung von Pflegediensten, Freunden oder Hausärzten teilweise weggebrochen ist.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Die Corona-Pandemie hat für viele pflegende Angehörige die Belastung noch verschärft.

Die Corona-Pandemie hat für viele pflegende Angehörige die Belastung noch verschärft.

© Bernhard Schmerl / stock.adobe.com

Berlin. Das Coronavirus belastet die häusliche Pflege zusätzlich. Laut einer am Dienstag vorgestellten Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der Berliner Charité berichtet etwa ein Drittel der rund 4,7 Millionen pflegenden Angehörigen in Deutschland, dass sich ihre Pflegesituation wegen der Pandemie erheblich verschlechtert habe.

24 Prozent zeigen sich sogar besorgt, dass sie die Pflege eines Angehörigen oder Bekannten in Corona-Zeiten überhaupt nicht mehr stemmen können. Für ihre Studie befragten ZQP und Charité 1000 Personen.

Weniger Unterstützung als sonst

Als Stressfaktor wirkt sich der Studie zufolge besonders aus, dass es pandemiebedingt weniger Unterstützung in der häuslichen Pflege gibt. Laut Befragung nennen 40 Prozent der Angehörigen als Grund für Mehrbelastungen, dass Dienstleistungen und Hilfestrukturen im Wohnumfeld weggefallen sind. Davon, dass Tagespflegeeinrichtungen nicht mehr genutzt werden konnten, berichten etwa 81 Prozent der Befragten.

Zwei Drittel geben an, die Unterstützung durch Dienstleister wie Fußpflege (65 Prozent) habe abgenommen oder aufgehört. Berichtet wird auch, dass Hilfen durch Nachbarn (43 Prozent), Freunde und Familienmitglieder (32 Prozent) oder den Hausarzt (30 Prozent) abgenommen oder aufgehört haben. Ein Fünftel der Befragten gibt an, dass ein ambulanter Pflegedienst seltener oder gar nicht mehr genutzt worden ist.

„Zusätzliche Sorgen im Gepäck“

„Unsere Studie weist darauf hin, dass sich nicht wenige pflegende Angehörige mit zusätzlichen Sorgen im Gepäck durch die Corona-Zeit kämpfen müssen“, sagte ZQP-Vorstandschef Dr. Ralf Suhr am Dienstag. In der Gemengelage von Infektionsrisiken, Kontaktbeschränkungen und wegbrechender Unterstützung sowie ökonomischer Unsicherheit liege „zusätzliches Überlastungspotenzial“, so Suhr.

Angehörige von Menschen mit Demenz spürten die Auswirkungen der Krise besonders, sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité, Professor Adelheid Kuhlmey. Für Menschen mit Demenz sei es wichtig, dass ihre gewohnten Routinen erhalten blieben.

Auch hätten Demenzkranke teils großen Bewegungsdrang und verstünden die Pandemie-Regeln oft nicht. „Mit den daraus resultierenden Problemen sind pflegende Angehörige jetzt zusätzlich konfrontiert.“

Job und Pflege ein hartes Brot

Die Studie gibt zudem Einblick in die Situation erwerbstätiger pflegender Angehöriger: 45 Prozent geben an, dass die Pandemie die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für sie noch schwieriger gemacht hat. Wird dabei ein Mensch mit Demenz versorgt, sagen dies sogar 56 Prozent. Zum Zeitpunkt der Befragung arbeiteten 28 Prozent der erwerbstätigen pflegenden Angehörigen mehr als sonst oder ausschließlich von zu Hause aus.

Gut die Hälfte ist mindestens etwas in Sorge, das neue Virus vom Arbeitsplatz nach Hause zu bringen und dort die pflegebedürftige Person anzustecken. Zugleich berichten berufstätige Angehörige teilweise auch von zusätzlicher ökonomischer Unsicherheit: 13 Prozent sagen, dass sie wegen Corona starke oder sehr starke Sorge um ihre berufliche Zukunft haben.

Hilfen auf den Weg gebracht

Die Bundesregierung hatte mit dem zweiten Pandemie-Gesetz Ende Mai auch Hilfen für Pflegebedürftige im ambulanten Bereich auf den Weg gebracht. So wird etwa der Zugang zum Pflegeunterstützungsgeld erleichtert. Die Ansparmöglichkeit von nicht in Anspruch genommenen Entlastungsleistungen wird einmalig um drei Monate verlängert.

Grüne rufen nach Corona-Pflegegeld

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, merkte zur Studie an, die Corona-Pandemie sei für viele pflegende Angehörige „ein Schlag in die Magengrube“. Wo Unterstützungsstrukturen wegfielen und Menschen ohne Hilfe dastünden, gerieten sie immer mehr an ihre Belastungsgrenze.

Ihre Fraktion fordere daher ein „Corona-Pflegegeld“ für pflegende Angehörige, wenn denen gewohnte Betreuungs- und Unterstützungsangebote pandemiebedingt nicht mehr zur Verfügung stünden. „Der pflegerischen darf nicht auch noch eine wirtschaftliche Notsituation folgen“, sagte die Grünen-Politikerin zur Begründung.

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