Ruf nach Ende des Säulendenkens

DGIV hofft auf mehr Kooperation der Sektoren

Intersektorale Zusammenarbeit wird propagiert, aber kaum gelebt, heißt es beim DGIV-Bundeskongress. Von den Ampel-Partnern erwartet man neue Impulse.

Veröffentlicht:
Das Sozialgesetzbuch fördert die Trennung der Sektoren und verunmöglicht kooperative Versorgung, moniert die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV).

Das Sozialgesetzbuch fördert die Trennung der Sektoren und verunmöglicht kooperative Versorgung, moniert die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV).

© Levente Janos / Fotolia

Berlin. Ärzte, Forscher und Medizinstudierende haben einen Ausbau sektorenübergreifender Versorgungsformen gefordert. Seit Jahrzehnten werde in Deutschland über das Thema geredet – bis heute „fördert das Sozialgesetzbuch aber die Trennung der Sektoren und verunmöglicht kooperative Versorgung“, sagte der Bayreuther Gesundheitswissenschaftler und Vorstandschef der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV), Professor Eckhard Nagel, beim Jahreskongress der Gesellschaft am Donnerstag .

Integrierte Versorgung als Regel

Charakteristisch für Deutschland sei, dass es dank der „Zielsetzung einer adäquaten fachärztlichen Versorgung im ganzen Land“ einen starken ambulanten Sektor habe. „Mit diesen Voraussetzungen könnten wir in der Tabelle schnell nach oben kommen.“ Aber dafür brauche es Zusammenarbeit. Bislang belege Deutschland bei der Verzahnung von ambulant und stationär einen „Abstiegsplatz“. Viele gute Versorgungsformen fänden sich in Modellprojekten wieder.

Dr. Albrecht Kloepfer, geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der DGIV sagte, integrierte Versorgung müsse „die Regel“ und nicht die Ausnahme im Sozialgesetzbuch sein. Bisher verhalte es sich genau umgekehrt.

Angesichts einer wachsenden Zahl chronisch Kranker bedürfe es der „gemeinsamen Betrachtung“ in der Versorgung. „Nicht irgendwann, sondern jetzt“, sagte Nagel. Auch der Fachkräftemangel mache Kooperation nötig. Personelle Ressourcen seien über die Sektoren und Berufsgruppen hinweg stärker zu nutzen. „Die jungen Leute sind es satt, ständig auf organisatorische Schwierigkeiten zu stoßen.“

„Wir müssen in die Handlung kommen“, sagte Professor Henriette Neumeyer vom Vorstand der DGIV. Junge Ärzte wollten mehr „gemeinsame“, sprich berufsübergreifende Entscheidungen – gestützt durch digitale Anwendungen. „Der aktuelle Leitsatz ambulant vor stationär ändert sich zu digital vor ambulant vor stationär.“ Auch wünschten sich Ärzte familienfreundliche, sprich flexible Arbeitszeiten. Gelinge der „Aufbruch im System“ nicht, dann seien viele der Mediziner bald „weg“, so Neumeyer.

Dass die Vertreter der verschiedenen „Säulen“ beharrlich ihre jeweiligen Interessen verteidigten, schade ihnen letztlich selber, sagte Nagel. „Das ist eine Gefährdung der gemeinsamen Selbstverwaltung.“ Beispielhaft lasse sich dies an der Reform der Notfallversorgung ablesen.

Thema auf dem Schirm der Ampel-Partner

Obwohl „gute Vorschläge“ dazu vorlägen und veränderte Versorgungsbedarfe eine Reform nötig machten, hätten sich die Beteiligten in der vergangenen Legislatur erneut „verhakt“. Ein gutes Beispiel für gelungene Zusammenarbeit sei hingegen die Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV). Hier hätten die Akteure „aus der Not“ und einem ethisch-moralischen Druck heraus gehandelt.

Dass die mutmaßlichen Ampel-Koalitionäre die Verzahnung der Sektoren in ihrem Sondierungspapier „immerhin“ mit einem Satz erwähnten, zeige, dass die Parteien das Thema auf dem Schirm hätten, erklärte Nagel.

SPD, Grüne und FDP wünschten sich zudem eine stärkere Regionalisierung der Gesundheitsversorgung. „Wir gehen davon aus, dass Regionalisierung ohne eine sektorenübergreifende Versorgung gar nicht möglich ist.“ Daher erwarte er auch, dass diesem Ziel im Koalitionsvertrag mehr Raum gewidmet sei, so Nagel.

Die Ampel will den Entwurf für eine Koalitionsvereinbarung kommende Woche vorlegen. (hom)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

© Salesforce Germany GmbH

Value Based Healthcare

Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

Kooperation | In Kooperation mit: Salesforce Germany GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Schnelle Kommunikation, aber sicher: Das hilft Teams unterschiedlicher Einrichtungen bei der effizienten Zusammenarbeit.

© [M] Famedly

Neues Kooperationswerkzeug im Netz

Effiziente Kommunikation: Der schnelle Draht von Team zu Team

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Vor der Ferienzeit

Beratungsfall Reisemedizin: Worauf es im Patentengespräch ankommt

Lesetipps
Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Eine Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den Bauch.

© dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schmerzerkrankung

Endometriose-Leitlinie aktualisiert: Multimodale Therapie rückt in den Fokus