Schulbeginn

Das große Manko der Impfschutz-Kontrolle

Erstmals müssen Eltern von Schul- und Kita-Neulingen eine Impfberatung nachweisen. Doch ob diese gesetzliche Verpflichtung den Impfschutz flächendeckend verbessern kann, darf bezweifelt werden.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Die Sommerferien sind vielerorts zu Ende: Am Montag kehren auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland Kinder in Schulen und Kitas zurück.

Für die Erstklässler unter ihnen spielt die Schultüte wie eh und je eine große Rolle. Das Impfbuch jedoch rückt dieses Jahr zum ersten Mal so wirklich ins Rampenlicht.

Denn - ebenfalls erstmals - steht zum Schulbeginn die Wichtigkeit des Impfschutzes im Gesetz festgeschrieben: Am 25. Juli, quasi pünktlich zum Ferienbeginn, ist das Präventionsgesetz in Kraft getreten.

Die Idee des Gesetzes, das sich auch die Verbesserung des Impfschutzes in Deutschland auf die Fahne geschrieben hat, ist löblich: Es sieht unter anderem vor, dass Eltern vor der Aufnahme ihres Kindes in eine Gemeinschaftseinrichtung verpflichtet werden, schriftlich nachzuweisen, dass sie eine ärztliche Beratung zum Impfschutz in Anspruch genommen haben.

Des Weiteren können Lehrer und Erzieher nicht geimpfte Kinder vom Besuch der Kindertagesstätte oder Schule vorübergehend ausschließen, sobald Masern oder andere Infektionskrankheiten aufgetreten sind.

Das klingt nach einer scharfen Maßnahme. Aber: Das Gesetz liefert zwar die Rahmenbedingungen, die Ausgestaltung der Regelung erfolgt jedoch in den Bundesländern.

Und so zeigt sich in Deutschland ein bunter Fächer der Impfschutz-Kontrolle, der in der Außenwirkung gut aussehen mag - einen flächendeckenden Anstieg der Impfraten aber vermutlich nicht herbeizuführen vermag.

Erkennen Erzieher einen Ausbruch rechtzeitig?

Festgeschrieben ist, dass jedes Kind vor seiner Einschulung untersucht wird. Doch die Einschulungsverfahren unterscheiden sich - ebenso wie die Ferienzeiten - von Land zu Land.

Damit einher gehen auch die Unterschiede in Umfang und Durchführung der Untersuchung: Je nach Bundesland findet sie in der Schule, in der Kindertagesstätte oder im Gesundheitsamt selbst statt; mal wird sie vom Amtsarzt, mal - entgegen entsprechender Bescheinigung - vom Hausarzt durchgeführt.

Ebenso uneinheitlich ist die Handhabung auf der Ebene der Kindergärten und Kindertagesstätten - dort, wo der Herdenschutz besonders wichtig ist.

Zur Anmeldung ihrer Schützlinge müssen Eltern laut Präventionsgesetz eine Bescheinigung des Arztes vorlegen, in denen Impfungen und Impflücken ausgewiesen sind.

Dass diese wirklich konsequent eingefordert werden, dazu fehlen bisher Erfahrungswerte. Und: Die Konsequenzen für Impflücken - etwa eine Vorladung beim Gesundheitsamt - sind mild.

Was, wenn es wirklich zum Ausbruch kommt? Laut Gesetz dürfen Erzieher im Falle des Falles nicht geimpfte Kinder von der Einrichtung ausschließen. Doch kranke Kinder, nimmt man etwa das Beispiel Masern, sind bereits vor dem Ausbruch der klassischen Symptome ansteckend.

Der Ausschluss ungeimpfter Kinder bei Bekanntwerden eines Ausbruchs kann damit zu spät sein. Eine konsequente Lösung wäre folglich nur, dass nicht geimpfte Kinder wegen der Gefährdung anderer Gleichaltriger, die etwa wegen ihres Alters oder einer anderen Erkrankung nicht geimpft werden können, von vornherein keine Kindertageseinrichtung besuchen dürfen.

Spätestens im Grundschulalter würde solch ein Impfzwang jedoch hinter der Schulpflicht hinten an stehen.

Ganz zu schweigen von der Frage, ob im konkreten Fall eines Ausbruchs das pädagogisch geschulte, medizinisch jedoch meist unausgebildete oder höchstens grundgeschulte Personal die Gefahr erkennen und zeitnah reagieren kann. Auch hier: Die Auslegung des Gesetzes ist Länder- oder in diesem Fall sogar Einrichtungssache.

Eine besondere Herausforderung stellen aktuell Kinder mit Migrationshintergrund dar, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Klasse kommen. Auch hier mangelt es an einer bundeseinheitlichen Regelung.

Während in Hessen Kinder, die später dazustoßen, ebenso untersucht werden wie Erstklässler bei der Schuleingangsuntersuchung, ist dies beileibe nicht überall so festgeschrieben.

Ein Grund mehr, dass die Überprüfung des Impfschutzes auch bei der medizinischen Erstversorgung von Flüchtlingen eine größere Rolle spielen - und vor allem bundeseinheitlich geregelt werden - sollte.

Praktische Umsetzung bleibt ein Fragezeichen

Thematisiert werden könnte dabei neben den Pflichtimpfungen auch der weiterführende Schutz: So hat die Gesellschaft für Virologie (GfV) nun gewarnt, dass Menschen in Notunterkünften, die auf engstem Raum zusammenleben, besonders gefährdet sind, sich mit dem Influenza-Virus zu infizieren.

Möglichst viele Flüchtlinge sollten daher Ende Oktober eine Influenza-Impfung erhalten. Die praktische Umsetzung dieser Forderung bleibt aktuell jedoch ein großes Fragezeichen.

"Die im Gesetzentwurf vorgesehene obligatorische Überprüfung des Impfschutzes bei Gesundheitsuntersuchungen dient vor allem der Verbesserung von Beratung und Aufklärung", schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Internetseite.

Flüchtlingskinder, die nach dem offiziellen Schuljahresbeginn zu einer Klasse oder Gruppe hinzustoßen, dürfen davon nicht ausgenommen sein.

Mehr als "Beratung und Aufklärung" wird das Gesetz aber wohl nicht schaffen. Ohne bundesweit einheitliche Vorgehensweisen, standardisierte Kontrollen und ein gezieltes Einbeziehen später in den Klassenverbund tretender Kinder wird es das Präventionsgesetz nicht schaffen, den Impfschutz flächendeckend zu verbessern.

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