AMNOG-Report

Der Mehrwert kommt nicht beim Patienten an

Vier Jahre ist das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) inzwischen alt. Seine Effekte sind aber nach wie vor umstritten. Ein DAK-Report zeigt jetzt: Vom Nutzen kommt nicht alles beim Patienten an.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Ärzte verordnen nicht zwingend die Wirkstoffe, die im AMNOG-Prozess einen Zusatznutzen zugesprochen bekommen. Darin sind sich Ärzte, Wissenschaftler und Kassenvertreter einig. Warum das so ist, wird jedoch unterschiedlichen Ursachen zugeordnet.

Der AMNOG-Report der DAK-Gesundheit hat festgestellt, dass sich die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung nicht im Verordnungsverhalten widerspiegeln.

"Da werden plötzlich Arzneien ohne jeden Zusatznutzen im Umsatz befeuert. Das ist schon überraschend", sagte DAK-Chef Professor Herbert Rebscher bei der Vorstellung des Reports am Dienstag in Berlin. Rebscher macht Informationsdefizite der Ärzte dafür verantwortlich.

Er schlug vor, das neue Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) damit zu betrauen, die Informationen aus der frühen Nutzenbewertung den Ärzten schnell zur Verfügung zu stellen.

58 Wirkstoffe wurden untersucht

Viele Informationen aus der frühen Nutzenbewertung flössen fast nur in die Preisbildung, aber nicht in die Versorgung der Patienten, sagte der Gesundheitssachverständige Professor Wolfgang Greiner, der auch einer der Autoren des Reports ist.

Der Report erfasst die bis Ende 2013 untersuchten 58 Wirkstoffe. Dabei hat sich gezeigt, dass die Absatzentwicklungen nicht zwangsläufig mit dem Zusatznutzen korrelierten.

Der Report greift ausschließlich auf die Verordnungen für DAK-Gesundheit-Versicherte zurück. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

So verzeichneten die mit beträchtlichem Zusatznutzen belegten Abirateronacetat und Ticagrelor im Jahr nach dem GBA-Beschluss rapide Zuwächse.

Die Verordnungen der Wirkstoffe Boceprevir und Telaprevir mit nicht quantifizierbarem Zusatznutzen bewegten sich schwächer nach oben, haben aber eine vergleichsweise kleine GKV-Zielpopulation.

vfa kritisiert Unterversorgung

Dass sich die Ärzte die GBA-Beschlüsse nicht anschauten, sei ein "riesiges Manko", bestätigte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ), Professor Wolf-Dieter Ludwig.

Die Kerninformationen, welche Arzneien einen Zusatznutzen bekämen, komme aber bei den Ärzten an.

Dass sich dies nicht unmittelbar in den Verordnungszahlen niederschlage, dafür sei der Einfluss der Industrie auf die Ärzte verantwortlich. "Die Dominanz des Marketings ist durch das AMNOG nicht gebrochen", sagte Ludwig.

Er kritisierte zudem eine Form der "selektiven Weiterbildung", wenn Ärzte sich den Zugriff auf Fachinformationen in kostenpflichtigen Publikationen wie zum Beispiel "Lancet" sponsern ließen.

Unterversorgungsquoten von bis zu 90 Prozent bei Medikamenten, die das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben, seien nicht tolerabel, kritisierte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen (vfa).

Der tatsächliche Zugang der Patienten zu innovativen Arzneimitteln sei offensichtlich bislang unzureichend im Fokus der Steuerungsinstrumente der Gesundheitspolitik, sagte Fischer.

Daher sei es gut, dass die Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten nun kritisch diskutiert würden.

Es gehe nicht um Patientennutzen oder Therapievielfalt, sondern um Kostensenkung, bemängelte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Dass, wie behauptet, tatsächlich so viele neue Arzneimittel in der Praxis keinen Zusatznutzen haben sollen, sei mehr als fraglich.

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