Parlamentarische Beratungen

Der Morbi-RSA spaltet

Der Finanzausgleich zwischen den Kassen soll reformiert werden. Die AOK sieht die Verhandlungen auf einem guten Weg; die anderen Kassenarten haben mehr Bedenken.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wie ändert sich die Verteilung beim morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich bis 2020?

Wie ändert sich die Verteilung beim morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich bis 2020?

© Christian Ohde / chromorange

BERLIN. Im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen über den Finanzausgleich der Kassen untereinander am kommenden Montag zeigen sich erneut die tiefen Risse zwischen den Kassenlagern.

Es gebe keine Einigkeit zwischen dem AOK-Lager und der Seite der Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, sagte der Hauptgeschäftsführer das Dachverbands der Betriebskrankenkassen Franz Knieps bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin.

Nach wie vor gehörten die Kassen, die die höchsten Finanzreserven ansammeln könnten, dem AOK-Lager an. Diese AOKen hätten ihre Zusatzbeiträge gesenkt, ohne gleichzeitig in die Versorgung zu investieren. Gleichzeitig hätten sie die höchsten Verwaltungsausgaben in der GKV, den Sonderfall Knappschaft-Bahn-See immer ausgenommen, betonten Vertreter der drei Kassenarten.

Mittlerweile große Schnittmengen?

Bereits am Mittwoch hatte der AOK-Bundesverband die Diskussion angeheizt. Nur zur Frage der Einführung eines Regionalfaktors bestünden noch Differenzen zwischen den Wettbewerbern, hatte der stellvertretende Verbandsvorsitzende Jens Martin Hoyer mitgeteilt. "Ansonsten ergeben sich mittlerweile große Schnittmengen zwischen den Forderungen der Kassenarten", wurde Hoyer in einer Pressemitteilung des Verbands zitiert.

Die AOK-Seite beruft sich auf die beiden Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt. Darin werde vorgeschlagen, statt wie bisher nur 80 gleich alle möglichen Diagnosen für den Finanzausgleich der Kassen untereinander heranzuziehen. Vertreter der Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen lehnten das am Donnerstag ab. Der Ausgleich solle auf schwerwiegende Erkrankungen beschränkt blieben. Ein Vollmodell würde die Strategieanfälligkeit des Systems weiter fördern.

Zudem fordert das Zweckbündnis der unter Aufsicht des Bundesversicherungsamtes stehenden Kassenarten eine einheitliche Aufsichtspraxis. Die Verträge der AOKen, die von den Landesaufsichtsbehörden geprüft würden, würden nach wie vor großzügiger behandelt.

"Wir wollen keine Neiddebatte führen, sondern faire Wettbewerbsbedingungen", sagte Ulrike Elsner, Vorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek). "Wir bekommen unsere Leistungsbeiträge nicht mehr über den Gesundheitsfonds finanziert", warnte der Geschäftsführer des IKK-Verbandes Jürgen Hohnl. Weitere Kassenfusionen und Kasseninsolvenzen seien keineswegs ausgeschlossen.

Vier Forderungen

Weitere Forderungen der drei Kassenarten sind.

  • Wiedereinführung eines Hochrisikopools für Leistungen jenseits von 100.000 Euro bei 20 Prozent Eigenanteil.
  • Verbindliche Kodierrichtlinien, um Manipulationen ambulanter Diagnosen zu vermeiden. Die Einführung der Richtlinien ist im Terminservice- und Versorgungsgesetz zum 1. Januar 2022 vorgesehen.
  • Kodierneutralität der Praxissoftware und ihrer Schnittstellen vor allem bei Hausarztverträgen.
  • Regelmäßige Evaluation des RSA-Verfahrens durch unabhängige Wissenschaftler und die Bereitstellung unabhängiger Datenstichproben.

Das am Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestags zur Diskussion stehende Versichertenentlastungsgesetz (VEG) sieht eine Reform des Morbi-RSA bis Ende 2019 vor. Die drei Kassenarten des Zweckbündnisses vertreten eigenen Angaben zufolge in 91 Krankenkassen 60,4 Prozent aller gesetzlich Versicherten.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ohne Aufsicht geht's nicht

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