Deutschland 2025: Republik ohne Landärzte

Die Bundesrepublik in 15 Jahren: Wer auf dem Land zum Arzt will, muss weit fahren. Eine neue Analyse zeichnet ein erschreckendes Bild für ganz Deutschland - und bietet Lösungen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Zum Arzt: Auch auf dem Land?

Zum Arzt: Auch auf dem Land?

© NBL / imago

BERLIN. Eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung wie heute wird es in einigen Jahren auf dem Land nicht mehr geben.

Das ist das Ergebnis einer Analyse der medizinischen und pflegerischen Versorgung Schleswig-Holsteins des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung in Kiel (IGSF).

Gleichzeitig werde in den nächsten 15 Jahren mehr hausärztliche Versorgungskapazität benötigt als zur Verfügung stehen werde, heißt es in dem Bericht, dem Professor Fritz Beske am Mittwoch in Berlin "Modellcharakter für das ganze Bundesgebiet" bescheinigte.

Die Prämissen der Analyse sind Bevölkerungsabnahme nach dem Jahr 2025 im nördlichsten Bundesland und eine dramatische Landflucht. Die könne eine Niederlassung "in einzelnen ländlichen Räumen" wirtschaftlich riskant machen.

Nach dem Jahr 2025 werden sich demnach die Wartezimmer der Landarztpraxen schon allein deshalb leeren, weil die Gesamtzahl der Schleswig Holsteiner deutlich zurückgegangen sein werde.

Der Bedarf an ärztlicher versorgung bleibt gleichwohl hoch (siehe Grafik). Bis dahin bleibe die Bevölkerung konstant bei 2,8 Millionen, so rechnen die Fachleute der 20 Verbände von Ärzten, Heilberufen, Kassen, Kommunen und Patienten, die an der Analyse mitgewirkt haben.

Schwerpunktpraxen rund um die Uhr offen

Von den 1929 Hausärzten, die diese Bevölkerung heute versorgen, stehen 576 an der Schwelle zum Ruhestand, 67 Prozent sind immerhin schon jenseits des 50. Lebensjahres.

Morbidität nimmt bis 2050 rasant zu

Jährliche Neuerkrankungen in Schleswig-Holstein
Krankheit 2050
Herzinfarkt + 71 %
Schlaganfall + 61 %
Krebs + 24 %
Pflegebedürftige + 90 %
Quelle: Fritz Beske Institut, Tabelle: Ärzte Zeitung

Selbst wenn jeder vierte Arzt über das übliche Pensionsalter hinaus praktizieren sollte, würden allein in Schleswig Holstein in den kommenden zwölf Jahren 1000 Nachfolger für Hausarztpraxen gesucht, schätzen die Autoren.

Diese Perspektiven vor Augen empfiehlt das IGSF, den Kommunen weite Teile der Bedarfsplanung zu überlassen. Die sollen dann in Absprache mit Nachbarkommunen, der Kassenärztlichen Vereinigung und Ärztenetzen Standorte für so genannte Schwerpunktpraxen definieren.

Die sollen das ganze Jahr über rund um die Uhr geöffnet bleiben und haus- und fachärztliche Leistungen unter einem Dach anbieten. Dort sollen auch die ambulante Pflege, die ambulante Rehabilitation sowie die dazu gehörigen Berater angesiedelt sein.

Die Studienautoren empfehlen zudem, dass die Kommune die Bedarfe nicht nur aktuell definieren, sondern immer auch mit Blick auf das Jahr 2020, wenn viele der heutigen Ärzte bereits im Ruhestand sein werden.

Ärzte- und Apothekerbusse

Die Gremien der Kommunen sollen mit den Kompetenzen ausgestattet werden, um in die Versorgungswirklichkeit eingreifen zu können.

Ein Fallmanager leitet die Patienten durch das Gesundheitssystem und organisiert die Übergänge ins Krankenhaus und wieder zurück. Das Versorgungsstrukturgesetz erlaubt Kommunen, Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren in Eigenregie aufzubauen.

Wo selbst der Weg zu einer solchen Schwerpunktpraxis zu weit wird, sollen nach den Vorstellungen der Kieler Fachleute Ärzte- und Apothekerbusse übers flache Land rollen.

Ein Pilotprojekt, möglicherweise im Landkreis Dithmarschen, ist geplant. Dagegen regt sich Widerspruch. Ärzte warnen vor einer Auflösung der Arzt-Patienten-Beziehung und der Vergeudung wertvoller Arztzeit auf der Landstraße.

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