HINTERGRUND

Die PKV-Unternehmen ringen um eine Position zu ihrer eigenen Zukunft

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen und Herbert Fromme Veröffentlicht:

Ein Diskussionspapier zur Zukunft der Sozialversicherung in Deutschland sorgt bei den privaten Krankenversicherern (PKV) für Unruhe. In dem Papier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, entwirft eine Arbeitsgruppe im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Konzepte für die verschiedenen Bereiche der Sozialversicherung, darunter auch die Krankenversicherung. Die Vorstellungen der Arbeitsgruppe zur Krankenversicherung bedeuten das Ende des heutigen dualen Systems.

In der Arbeitsgruppe sitzen Topmanager großer Versicherungsgesellschaften wie Allianz, Münchener Rück und Axa, die auch große PKV-Anbieter haben. Was die Manager zur Krankenversicherung zu Papier gebracht haben, hat es in sich. Langfristig machen sie sich für eine vollständige Privatisierung der Krankenversicherung und die Umstellung auf die Kapitaldeckung stark. Der Weg zu diesem Ziel soll aber zunächst über die Einführung eines Basisschutzes für die gesamte Bevölkerung führen.

Elemente aus Kopfprämie und Bürgerversicherung

Diese Grundsicherung würde Elemente der von der CDU/CSU favorisierten Kopfprämie und der SPD-Bürgerversicherung vereinen: Die Grundsicherung könnten gesetzliche Kassen und PKV-Unternehmen anbieten. Sie wäre nach Vorstellung der Autoren für jeden Einwohner verpflichtend, die Unternehmen müssten jeden Kunden ohne Risikoprüfung annehmen. Die Beiträge sind unabhängig vom Einkommen der Versicherten, bei Kindern kommt der Staat für die Finanzierung auf. Alles, was von dieser Grundabsicherung nicht erfasst ist, könnten die Menschen dann über private Zusatzversicherungen abdecken, so das Szenario.

Die Autoren stellen sich damit diametral gegen die Position des PKV-Verbands, der sowohl die Kopfpauschale als auch die Bürgerversicherung stets als das Ende der PKV in ihrer jetzigen Form abgelehnt hat.

"Die Kopfprämie wäre durch die Hintertür die Einführung einer Einheitsversicherung in Deutschland und das Ende der privaten Krankenversicherung", sagt der Vorstandsvorsitzende des PKV-Marktführers Debeka Uwe Laue der "Ärzte Zeitung".

Das skizzierte Szenario würde seiner Einschätzung nach dazu führen, dass die Bundesregierung wie beim künftigen Gesundheitsfonds die Beiträge festsetzen würde. "Dann ist der Wettbewerb total zerstört", warnt Laue. Von Zusatztarifen allein werde die PKV langfristig nicht leben können, sagt er.

Der Vorsitzende des PKV-Verbands und Chef der Signal Iduna, Reinhold Schulte, sieht für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Papier zum aktuellen Zeitpunkt keinen Anlass. "Nach Kenntnis des PKV-Verbandes liegt kein verabschiedetes Papier des GDV zur Zukunft der Sozialsysteme vor. Interne und nicht offizielle Arbeitspapiere können und wollen wir nicht kommentieren", sagt er in einer Stellungnahme. Keines der 47 Mitgliedsunternehmen des PKV-Verbands dringe auf einen "Radikalumbau des Gesundheitswesens" oder eine Abschaffung der PKV in ihrer jetzigen Form, betont Schulte.

Klar ist allerdings, dass es auch um das nicht verabschiedete Positionspapier bereits heftigen Streit gab. Es sei nicht möglich gewesen, sich auf eine Positionierung zur Krankenversicherung zu verständigen, heißt es in einem Vermerk zum Papier. Deshalb ist das Kapitel zur Krankenversicherung zunächst entfernt worden - offensichtlich auf Druck des PKV-Verbands. Mit offiziellen Stellungnahmen halten sich die beteiligten Unternehmen tatsächlich durch die Bank zurück - sei es aus Angst vor der verbandsinternen Auseinandersetzung, sei es aus Rücksicht auf die politischen Kämpfe, die die PKV-Vertreter zurzeit mit der Politik auf Bundesebene ausfechten müssen.

Unwägbare Faktoren wie die demografische Entwicklung

Inoffiziell sind Versicherungsmanager in- und außerhalb der beteiligten Unternehmen aber bereit, sich zur Sache zu äußern. "Wir müssen akzeptieren, dass wir in einem Staat leben, der Solidarität um jeden Preis will", sagte ein PKV-Manager. Darauf müsse die Branche mit eigenen langfristigen Strategien reagieren, bislang gebe es aber überhaupt keine entsprechende Initiative. "Der PKV-Verband ist ohne jede Strategie und ausschließlich damit beschäftigt, Jahr um Jahr die heutigen Pfründe zu halten, obwohl jedem klar ist, dass wir sie nicht halten können", kritisiert er.

Internationale Versicherungskonzerne wie Allianz, Münchener Rück und Axa machen schon länger kein Hehl mehr daraus, dass sie die private Vollversicherung für ein schwieriges Konzept halten. Probleme sehen die Unternehmen vor allem in der aufwändigen Kalkulation der Tarife durch so unwägbare Faktoren wie die demografische Entwicklung und die gestiegene Lebensentwicklung. Das lebenslange Leistungsversprechen, das die PKV-Anbieter ihren Kunden geben, halten manche für ein viel zu großes unternehmerisches Risiko.

STICHWORT

PKV-Verband

Der Verband der privaten Krankenversicherung hat 47 Mitglieder. Die Unternehmen haben zusammen 8,6 Millionen Vollversicherte und 19,8 Millionen private Zusatzversicherungen. Die Branche kam im Jahr 2007 auf Prämieneinnahmen in Höhe von 29,5 Milliarden Euro, davon stammten 27,6 Milliarden Euro aus der Krankenversicherung und 1,9 Milliarden Euro aus der privaten Pflegeversicherung. Die ausgezahlten Versicherungsleistungen inklusive der Schadenregulierungskosten beliefen sich im vergangenen Jahr auf 18,8 Milliarden Euro in der Kranken- und 0,6 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung.

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