Medizinische Versorgung

Die Ungleichheit wächst

Gehört der Arzt wie selbstverständlich überall zur Infrastruktur? Nein, sagen Fachleute. Die Ballungsräume haben gewonnen, das Land verliert. Und die Situation wird sich verschärfen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Weit und breit kein Arzt: In manchen Regionen werden die Versorgungsengpässe zunehmen.

Weit und breit kein Arzt: In manchen Regionen werden die Versorgungsengpässe zunehmen.

© blickwinkel / imago

BERLIN. Eine flächendeckend auf einheitlich hohem Niveau stehende medizinische Versorgung wird es in Zukunft nicht mehr geben. Statt ihrer werde es zu einer Konzentration der ärztlichen Leistungen dort kommen, wo die Menschen wohnten.

Das war eine der Hauptthesen auf einer Fachtagung anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) am Freitag in Berlin.

Selbst die Aufgabe von Siedlungen müsse in Kauf genommen werden, um Qualität zu sichern. "Verahs" und rollende Praxen seien lediglich Notlösungen für eine Übergangszeit. "Das ist nicht die Qualität, die wir wollen", sagte Professorin Elke Pahl-Weber vom Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin.

Für Pahl-Weber ist es durchaus mit dem Geist des Grundgesetzes zu vereinbaren, in Deutschland uneinheitliche Lebensverhältnisse zu haben. Die gibt es nämlich längst. Die Altersstrukturen, das Arbeitsplatzangebot und die Einkommen sind regional unterschiedlich verteilt.

Betroffen sind Gebiete in Ost wie West. Wo mehr alte, arbeitslose und arme Menschen lebten, sinke die Nachfrage nach Infrastrukturleistungen, die ausgerechnet dort noch am teuersten ausfielen. Dies betrifft unmittelbar auch die Ansiedlung von Ärzten. Das quantitative Verhältnis zwischen Arzt- und Einwohnerzahlen funktioniere nicht mehr.

Lokale Benchmarks statt Durchschnitt

Dass sich die Verhältnisse noch einmal umkehren, hält Pahl-Weber für unwahrscheinlich. "Wir sollten uns auf Räume konzentrieren, in denen sich die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse überhaupt herstellen lässt", sagte sie. Das schaffe die Voraussetzungen dafür, dass auch künftige Generationen noch eine Infrastruktur vorfinden könnten.

Dass Daseinsvorsorge auch eine Sicherung der Marktfunktion an sich bedeuten könne, bestätigte Bernt-Peter Robra vom Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie des ZI.

Statt medizinische Infrastruktur und Bevölkerungszahlen in ein Verhältnis zu stellen, sollten Ziele in den Blick genommen werden. Zum Beispiel: Welcher Gesundheitszustand ist erreichbar und welcher Leistungsmix sollte bei den Bürgern ankommen?

Diese Entwicklungen werten die räumliche Versorgungsforschung auf, wie sie das ZI betreibt. Sie könne als Seismograf dienen, mit dem sich Veränderungen in den Regionen einschätzen und Reaktionen darauf planen ließen, sagte Thomas Czihal vom ZI.

Die Sicherstellung sollte dann jeweils eine lokale Benchmark anstreben und nicht als Angleichung an den Durchschnitt erfolgen.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung