Hepatitis

Ein unterschätztes Problem

In Deutschland sind vermutlich mehr als eine Million Menschen Virus-Hepatitis betroffen. Ärzte und Betroffenen-Verbände haben jetzt einen Aktionsplan entwickelt.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Illustration: Hepatitis-B-Viren vor dem Eindringen in Zellen.

Illustration: Hepatitis-B-Viren vor dem Eindringen in Zellen.

© somersault18:24 / shutterstock.com

BERLIN. Noch immer sind Hepatitis-Virusinfektionen in Deutschland ein unterschätztes Problem - das haben die Organisationen Deutsche Leberhilfe, das Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch sowie die Deutsche Leberstiftung anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags am 28. Juli scharf kritisiert.

Etwa 5000 Menschen erkranken in Deutschland laut Experten jedes Jahr an einem hepatozellulären Karzinom. Aus diesem Grund haben jetzt Ärzte und Betroffenen-Verbände erstmals eine gemeinsame Strategie für mehr Aufklärung über Hepatitis-Erkrankungen und deren Behandlung erarbeitet.

Der "Aktionsplan für eine nationale Strategie gegen Virushepatitis" soll nun der Bundesregierung vorgelegt werden.

Ziel ist es unter anderem, die möglichen Folgeerkrankungen von Hepatitis wie Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom (HCC) durch eine frühe Diagnose zu vermeiden.

Aktionsplan setzt auf Prävention

"Durch frühzeitige Abklärung von Leberwerten könnte man leicht feststellen, ob das Risiko einer solchen Infektion vorliegt oder nicht. Damit wäre eine viel bessere Vorbeugung von Leberkrebs möglich", sagte Privatdozent Dr. Anton Gillessen, Vertreter der Deutschen Leberhilfe, in Berlin.

Schließlich dauere es manchmal viele Jahrzehnte, bis sich ein Karzinom entwickelt habe.

"Doch erhöhte Leberwerte werden häufig nicht konsequent und früh genug abgeklärt. Sie werden nicht so ernst genommen und man schiebt es auf das Übergewicht oder den Alkoholgenuss", kritisierte Gillessen.

Ebenso sei es wichtig, bei besonders stark gefährdeten Gruppen, wie zum Beispiel bei Menschen mit einem Migrationshintergrund, eine mögliche Hepatitis-Virusinfektion abzuklären- auch wenn keine erhöhten Leberwerte vorliegen.

Rund zwei Drittel aller diagnostizierten Hepatitis B - und ein Drittel aller Hepatitis C-Virusinfektionen betreffen laut Experten Personen mit Migrationshintergrund.

Der Aktionsplan stellt besonders Maßnahmen für die unterschiedlichen Zielgruppen in den Fokus. Dazu gehören neben den Menschen mit Migrationshintergrund auch Menschen in Haft sowie Drogenkonsumenten.

Dafür wollen die Beteiligten das Bewusstsein für Virushepatitis und ihre Übertragungswege in der Öffentlichkeit erhöhen.

Die Aufklärung über die Erkrankung soll Bestandteil staatlicher Gesundheitsprogramme werden. Zudem soll versucht werden, die Stigmatisierung von Menschen mit chronischer Hepatitis abzubauen. Alle Patienten mit einer Virushepatitis sollen zudem Zugang zu einer leitliniengerechten Therapie erhalten.

Zudem setzt der Aktionsplan vor allem auf Prävention: Die Aufklärung über Hepatitis müsse in bestehende staatliche Gesundheitsprogramme übernommen werden, heißt es in dem Plan.

Ministerium verweist auf bestehende Programme

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kann die Aufregung nicht nachvollziehen: "Die diagnostizierten Neuerkrankungen sowohl bei Hepatitis B als auch Hepatitis C sind seit Jahren rückläufig. Das heißt, dass die bestehenden Maßnahmen greifen", sagte ein Ministeriumssprecher der "Ärzte Zeitung".

Hier seien vor allem Aufklärung und Information sowie die Impfung gegen Hepatitis B zu nennen.

Forderungen des Aktionsplans würden bereits umgesetzt oder seien bereits Teil anderer Aktionspläne und nationaler Strategien. Das gelte für die Vorbeugung von Hepatitis C bei intravenös drogengebrauchenden Menschen, die Vorbeugung von Hepatitis B durch die Impfempfehlungen der STIKO.

Weder das BMG noch das Robert Koch-Institut seien bislang an dem vorliegenden Aktionsplan beteiligt gewesen. "Das BMG wird sich aber zeitnah mit den beteiligten Akteuren austauschen", hieß es.

Aus Sicht der Betroffenen-Verbände gehen die bestehenden Programme jedoch nicht weit genug.

"Aufklärung zu Virushepatitis wurde bislang nicht ausreichend in staatliche Aufklärungsprogramme aufgenommen", heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Leberhilfe, dem Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch sowie der Deutschen Leberstiftung.

Ein wichtiges Instrument zur Senkung von Prävalenz und Inzidenz sei die Untersuchung auf Hepatitisviren. Daher fordert das Bündnis außerdem, die Leberwerte bei Gesundheitsscreenings mitzubestimmen.

Auch müssten mehr Studien zur Datenlage vorgenommen werden, da diese in Deutschland dünn sei. Frankreich zum Beispiel hat schon 1999 einen solchen Aktionsplan eingeführt, nachdem Studien gezeigt hatten, dass 75 Prozent der Hepatitis-C-Träger nicht wussten, dass sie infiziert waren.

Natürlich koste das, sagt Sozialwissenschaftler Heino Stöver von der Fachhochschule Frankfurt. Die Kosten aber, die auf das Gesundheitssystem zukämen, wenn die Kranken nicht behandelt würden, wären ungleich höher.

Um viele Kompetenzen zu bündeln, haben sich bereits 2004 unterschiedliche Institutionen zum Aktionsbündnis "Hepatitis und Drogengebrauch" zusammengeschlossen.

Dazu gehören unter anderem akzept e.V. (Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik), die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH), die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V. (DGS), der Bundesverband JES e.V. (Netzwerk der Junkies, Ehemaligen und Substituierten) und der Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das Bewusstsein stärken

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