Ersatzkassen klagen gegen geschiedste Hausarztverträge

Mehrere Ersatzkassen in Bayern und Baden-Württemberg machen mit einer Klage Front gegen Hausarztverträge.

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Hausarztverträge in Bayern und Baden-Württemberg: Die Ersatzkassen klagen.

Hausarztverträge in Bayern und Baden-Württemberg: Die Ersatzkassen klagen.

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MÜNCHEN/STUTTGART (sto/fst). In die Auseinandersetzung um Hausarztverträge in Bayern und Baden-Württemberg kommt keine Ruhe: Außer der Techniker Krankenkasse, die einen separaten Vertrag mit dem Hausärzteverband geschlossen hat, klagen in Bayern die Ersatzkassen gegen den geschiedsten Hausarztvertrag. Im Südwesten planen die Ersatzkassen - ebenfalls ohne TK - den gleichen Schritt.

In Bayern werden die Klagen beim Sozialgericht München eingereicht. Die Initiative dazu ist von den Hauptverwaltungen der betreffenden Ersatzkassen ausgegangen, die offenbar eine präjudizierende Wirkung der bayerischen Schiedsentscheidung auf andere Bundesländer verhindern wollen.

Mit der Klage soll die Höhe der Vergütung mit einer Fallwertobergrenze, die nach Angaben des Bayerischen Hausärzteverbandes bei etwa 80 Euro liegt, in den Hausarztverträgen überprüft werden. Ein weiterer Punkt betrifft die Frage des Datenschutzes wegen der Abwicklung der Verträge über die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft, erklärte der stellvertretende Leiter des Verbandes der Ersatzkassen in Bayern, Sergej Saizew. Die Klage habe jedoch keine aufschiebende Wirkung, stellte er klar. Die Schiedsentscheidungen, die rechtsgültig sind, werden in Bayern ab 1. Oktober umgesetzt. "Wir wollen die Verträge umsetzen, damit endlich Ruhe einkehrt", sagte Saizew.

Die Ersatzkassen seien jedoch nach wie vor der Meinung, dass die Vergütung in den geschiedsten Verträgen zu hoch ist. Sollte die Klage Erfolg haben, werden die Verträge rückabgewickelt. "Das ist ein ganz normales Verfahren", sagte Saizew.

Für die Barmer GEK in Baden-Württemberg betont Frank Löscher, Geschäftsbereichsleiter Leistung und Vertrag, dass die geplante Klage keine Auswirkungen auf den geschiedsten Hausarztvertrag im Südwesten habe: "Hier sind die Fakten klar", sagte Löscher über den Vertrag, der am 1. Oktober startet. Die Kassen möchten vielmehr, dass das Schiedsverfahren nochmals überprüft wird. So seien von der Schiedsperson Dr. Klaus Engelmann Alternativen zum Vollversorgungsvertrag - wie etwa ein Add-on-Vertrag - nicht ausreichend in Erwägung gezogen worden.

In Baden-Württemberg liegt eine ausgearbeitete Klageschrift noch nicht vor, in Bayern hingegen schon. In dem 122 Seiten umfassenden Schriftsatz wird vor allem dargelegt, dass der Hausarztvertrag gegen das Gebot der Beitragssatzstabilität verstoße, berichtet Daniel Caroppo, Sprecher der DAK Baden-Württemberg. Darauf, dass ein Hausarztvertrag sich wirtschaftlich selbst tragen müsse, werde im Schiedsspruch mit keinem Wort eingegangen, sagt Caroppo.

Obwohl die Klagen die Verträge nicht stoppen, kommt die Botschaft bei Ärzten an. "Die Selektivvertragsgegner haben aufgrund der Politik von Schwarz-Gelb wieder Oberwasser", schreibt Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner in einem Rundbrief. Für Dr. Berthold Dietsche, Chef des Hausärzteverbands in Baden-Württemberg, ist klar, dass die geplante Klage "atmosphärische Auswirkungen haben wird", sagte er der "Ärzte Zeitung". Die Behauptung, den Ersatzkassen sei ein wirtschaftlich nicht tragbarer Vertrag aufgezwungen worden, lässt Dietsche nicht gelten. Der AOK-Hausarztvertrag zeige, dass die Versorgung "besser bei gleichen Kosten geworden sei", betont der Verbandschef.

Medi und Hausärzteverband haben für den 15. September zu einem Aktionstag der Haus- und Fachärzte nach Sindelfingen eingeladen. Dort will man "ein Signal der Geschlossenheit in Richtung Berlin" senden. Baumgärtner fürchtet, dass ein Kippen der Hausarztverträge auf Bundesebene - Bestandsschutz hin oder her - "Auswirkungen auf unsere Haus- und Facharztverträge in Baden-Württemberg" haben wird.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 30.08.201017:41 Uhr

Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!

Nach dem die Ersatzkassen, allen voran die BEK, als Körperschaften Öffentlichen Rechts, Alles, aber auch wirklich Alles unternommen haben, um den für sie rechtsverbindlichen § 73b zu unterlaufen, der die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) regeln sollte, gibt es jetzt Wehklagen und Gemecker, weil den Herr- und Frauschaften (z.B. Birgit Fischer als BEK/GEK-Chefin) das Schiedsergebnis mit der Fallwertobergrenze nicht passt?

Und die Beitragssatzstabilität ist jetzt die Heilige Kuh, die alle anbeten müssen? Wo ist die Beitragssatzstabilität bei den Verwaltungsausgaben der Kassen und des neuen Gesundheitsfonds? Bei den 3-fach-Immunisierungen gegen Gebärmutterhalskrebs? Bei den Reiseimpfstoffen für Thailand, Indonesien, China, Malediven, zum Hajj in Makkah (Mekka) nach Saudi-Arabien, zum Amazonas, nach Mittelamerika und Osteuropa? Wo ist die Beitragssatzstabilität bei Herz-Lungen-Transplantationen, Stents (bare-metal oder drug-eluting), pulmonaler Hypertonie, COPD, Schlafapnoe, Dialyse, Herzkatheter, Schweinegrippenimpfstoff, Interferontherapie usw.?

Was wollen denn alle im Elfenbeinturm noch machen, wenn die Grund- und Primärversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte weg bricht?

Mit kollegialen Grüßen Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


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