Versorgung mit Medikamenten

Lieferengpässe: Festbeträge für 180 Kinder-Arzneimittel werden ausgesetzt

Viele Arzneimittel für Kinder sind aktuell knapp. Um die Engpässe kurzfristig zu beheben, sollen die Festbeträge für bestimmte Fertigarzneimittel ab dem 1. Februar nun für drei Monate ausgesetzt werden.

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Blick in den Lagerbestand: Engpässe bei Arzneimitteln rufen Politik, Krankenkassen und Industrie auf den Plan.

Blick in den Lagerbestand: Engpässe bei Arzneimitteln rufen Politik, Krankenkassen und Industrie auf den Plan.

© Sven Hoppe/picture alliance

Berlin. Schmerzmittel, Antibiotika und anderes mehr: Zahlreiche Medikamente sind in Deutschland derzeit rar – das gilt insbesondere für Arzneimittel für Kinder. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte unlängst eine schnelle Lösung der Misere angekündigt. In einem Schreiben vom 20. Dezember hatte der SPD-Politiker unter anderem den GKV-Spitzenverband darum gebeten, bestimmte Festbeträge für Kinder-Arzneimittel zu überprüfen, vorzugsweise aufzuheben. Nun zeichnet sich ein Kompromiss in der Sache ab.

Laut einer Mitteilung des GKV-Spitzenverbands hat dessen Vorstand am Montag (9. Januar) beschlossen, dass die Festbeträge für bestimmte Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie für Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen, ab dem 1. Februar 2023 für drei Monate ausgesetzt werden. „Damit schaffen wir die Voraussetzungen, dass einer weiteren Verschärfung der angespannten Versorgungslage mit Kinder-Arzneimitteln kurzfristig entgegengewirkt werden kann“, teilte der GKV-Spitzenverband am Dienstag mit.

Die datentechnische Umsetzung in den Apotheken lasse sich in Kooperation mit den entsprechenden Datenstellen abstimmen, sodass trotz der kurzen Zeitspanne eine reibungslose Umsetzung möglich sei, hieß es weiter.

„Lieferprobleme grundlegend lösen“

Die Aussetzung der Festbeträge betrifft den Angaben zufolge insgesamt 180 Fertigarzneimittel aus zehn Festbetragsgruppen. Unter ihnen befinden sich Ibuprofen-Säfte, Paracetamol-Zäpfchen und Antibiotika-Suspensionen. Mit der Aussetzung würden angesichts der angespannten Versorgungslage bei den entsprechenden Kinderarzneimitteln kurzfristig Aufzahlungen, also zusätzliche Kosten, vermieden. Damit werde allen Beteiligten Zeit für langfristige Lösungen verschafft, erklärte der GKV-Spitzenverband.

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So habe der Gesetzgeber Vorgaben zu schaffen, um bestehende Lieferprobleme bei Arzneimitteln strukturell anzugehen. Der Pharmaindustrie kurzfristig höhere Preise zu ermöglichen, stelle noch keine nachhaltige Lösung dar. Die Pharmaindustrie erhalte mit der Aussetzung der Festbeträge nun mehr Zeit, Produktions- und Lieferprobleme in den Griff zu bekommen. Die Kassen wollten „genau“ hinschauen, wie die Aussetzung der Festbeträge wirke.

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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte Mitte Dezember 2022 zu den aktuellen Problemen bei der Lieferfähigkeit und Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln Empfehlungen ausgesprochen und Informationen bereitgestellt. Die gesetzliche Krankenversicherung hatte daraufhin reagiert und übernimmt seit Mitte Dezember die Mehrkosten etwa für Kinderhustensäfte.

BAH: Reformen bei Festbeträgen überfällig

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Dr. Hubertus Cranz, betonte in Reaktion auf die Kassenmitteilung, sein Verband habe immer wieder darauf hingewiesen, dass Reformen beim Festbetragssystem nötig seien. „In den vergangenen Jahren hat der GKV-Spitzenverband die Festbeträge immer weiter abgesenkt – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung. Dass dieser nun zahlreiche Festbetragsgruppen aussetzt, zeigt, wie reformbedürftig das ganze System ist“, sagte Cranz am Dienstag in Berlin (hom)

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