Interview

Gesundheitsexperte Gerlach: „Praxen könnten endlich den aufgezwungenen Hamsterrad-Modus verlassen“

Ein Primärversorgungssystem ist überfällig, sagt der frühere Gesundheits-Sachverständige Ferdinand Gerlach im Interview mit der Ärzte Zeitung. Damit das Angebot funktioniere, sei aber an ein paar Stellschrauben zu drehen.

Thomas HommelEin Interview von Thomas Hommel Veröffentlicht:
„Mehr Zeit für Patienten“: Professor Ferdinand Gerlach, Hausarzt, Hochschullehrer und ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege.

„Mehr Zeit für Patienten“: Professor Ferdinand Gerlach, Hausarzt, Hochschullehrer und ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege.

© Wolfgang Kumm / dpa / picture al

Herr Professor Gerlach, die Koalition plant ein „verbindliches Primärarztsystem“. Ein richtiger Schritt?

Absolut! Eine wohnortnahe und niedrigschwellig erreichbare hausärztliche Grundversorgung ist die unverzichtbare Basis eines jeden leistungsfähigen Gesundheitssystems. Die geplante Einführung eines verbindlichen Primärversorgungssystems in Deutschland und damit eine bedarfsgerechtere Steuerung der Inanspruchnahme sind überfällig.

Was spricht für ein solches Angebot in der ambulanten Versorgung?

Wie Erfahrungen in vielen anderen europäischen Nachbarländern, aber auch in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) in Baden-Württemberg oder jetzt auch in Niedersachsen zeigen, wird so die gesundheitliche Versorgung besser und effizienter. Auch wenn Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigen, dass täglich nur wenige zusätzliche Patientinnen und Patienten in den Hausarztpraxen versorgt werden müssten, ist eine gezielte Entlastung hausärztlicher Praxen zwingend erforderlich.

Was schlagen Sie konkret vor?

Unmittelbar notwendig ist ein Einschreibesystem, eine darauf basierende Vergütung des gesamten Praxisteams, der Wegfall des Quartalsbezugs und des sehr hinderlichen Dogmas der persönlichen Leistungserbringung durch den Vertragsarzt. Zusätzlich sind bürokratische Verkrustungen zu überwinden. Auch eine möglichst konsequente praxisnahe digitale Transformation der Praxisabläufe ist erforderlich.

Und der Benefit für Praxen und Patienten?

Auf diese Weise können rund 30 bis 40 Prozent der täglichen persönlichen Belastungen von Hausärztinnen und Hausärzten ersatzlos reduziert, an andere Teammitglieder delegiert oder durch digitale Lösungen beziehungsweise KI übernommen werden. Praxisteams, deren bundesweite Zahl dann völlig ausreichend wäre, könnten endlich den derzeit aufgezwungenen Hamsterrad-Modus verlassen, würden substanziell entlastet und hätten dann sogar wieder mehr Zeit und Ruhe für ihre Patientinnen und Patienten.

Herr Professor Gerlach, vielen Dank für das Gespräch!

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