Parlamentswahlen

Gesundheitspolitik dominiert den Wahlkampf in Portugal

Ein Streit um die Gesundheitspolitik hat Neuwahlen in Portugal ausgelöst. Dem staatlichen Gesundheitssystem laufen Ärzte und Krankenpfleger weg. Wegen steigender Staatsverschuldung bleiben nötige Investitionen aus.

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Antonio Costa, Premierminister von Portugal, spricht nach der vorgezogenen Stimmabgabe bei den portugiesischen Parlamentswahlen in einem Wahllokal zu Journalisten. Streit um mehr Geld für das Gesundheitswesen war der zentrale Auslöser für die Neuwahl.

Antonio Costa, Premierminister von Portugal, spricht nach der vorgezogenen Stimmabgabe bei den portugiesischen Parlamentswahlen in einem Wahllokal zu Journalisten. Streit um mehr Geld für das Gesundheitswesen war der zentrale Auslöser für die Neuwahl.

© Paulo Duarte/AP/dpa

Lissabon. Das staatliche Gesundheitssystem steht im Mittelpunkt der Wahlkampagne in Portugal. Eigentlich ist es sogar der Auslöser dafür, dass am Sonntag, 30. Januar, überhaupt vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden müssen.

Bisher wurde die sozialistische Minderheitsregierung von Antonio Costa vom Linksblock und den Kommunisten gestützt. Doch Ende November weigerten sich beide Parteien, den geplanten Haushaltsplan der Sozialisten für 2022 weiterhin mitzutragen. Grund: Costa wäre nicht auf ihre Forderungen nach mehr Geld und Reformen im staatlichen Gesundheitssystem eingegangen. So mussten Neuwahlen her.

Corona offenbart Defizite

Wie fragil das öffentliche Gesundheitssystem ist, bekamen die Portugiesen Anfang letzten Jahres hart zu spüren, als die Delta-Welle das Land überrollte. Die Bilder der Krankenwagen, die vor den Hospitälern stundenlang in Warteschlagen standen, um Patienten einzuliefern, gingen um die Welt. Sogar ein medizinisches Hilfsteam der deutschen Bundeswehr flog nach Lissabon, um zu unterstützen. Das größte Problem ist die Personalknappheit.

„In Portugal fehlen rund 20.000 Krankenpfleger, die aufgrund schlechter Bezahlung und Arbeitsbedingungen vor allem nach Großbritannien ausgewandert sind. „Die europäischen Länder haben in den letzten zwei Jahren sehr aggressive Anwerbungskampagnen von portugiesischen Krankenpflegern gefahren“, erklärt Guadalupe Simões von der Krankenpfleger-Gewerkschaft (SEP).

Fast ein Drittel der Krankenschwestern in der Ausbildung bekunden die Absicht, ins Ausland abzuwandern. Es sei notwendig, „Krankenschwestern anständige Bedingungen zu geben und keine Vier-Monats-Verträge, ihnen eine Karriere zu geben und kein Flugticket“, sagt Ana Rita Cavaco vom Krankenschwesterverband OE.

Abwanderung in privaten Sektor

Ähnlich sieht die Lage bei den Ärzten aus. „Wir haben genug Ärzte. Das Problem ist, sie wandern alle in den privaten Sektor ab. Ein Assistenzarzt in einem Privatkrankenhaus verdient in drei Tagen mehr Geld als ein normaler Arzt in einem staatlichen Hospital in einem Monat“, kritisierte Catarina Martins, Kandidatin des Linksblocks, beim letzten TV-Wahlduell.

Das Problem: der starke Anstieg der Staatsverschuldung. Notwendige Investitionen und Reformen wurden zuletzt auch aufgrund der pandemiebedingten Wirtschaftskrise immer wieder verschoben – wie der Bau neuer Krankenhäuser, eine Reform des Vergütungssystems für Ärzte und Krankenpfleger.

Folgen: Überlastete Kliniken, fehlende Hausärzte in den Gesundheitszentren, Patienten auf den Fluren der staatlichen Kliniken, lange Wartelisten für lebenswichtige Operationen. Die vor der Wiederwahl stehenden Sozialisten verteidigten das öffentliche Gesundheitssystem, gingen die notwendigen Reformen in der Regierung aber nicht an.

Die konservative Opposition, Liberale und Rechtspopulisten treten eher für die Privatisierung des Gesundheitssystems ein. Dann wäre der öffentliche Gesundheitssektor laut der Linksparteien nur noch für die Armen da. Die Wahlen am Sonntag spielen also eine wichtige Rolle, in welche Richtung sich Portugals Gesundheitssystem bewegen wird. (mame)

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