Krankenkassen

Goldene Zeiten verblassen

Der Goldschatz der Krankenkassen wächst nicht mehr: Noch schreiben sie deutlich schwarze Zahlen - aber der Trend dreht sich.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine goldene Kasse: Schön für jeden, der eine solche hat.

Eine goldene Kasse: Schön für jeden, der eine solche hat.

© Katja Wickert / fotolia.com

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat die erneuten Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen genutzt, um die geplanten Leistungsausweitungen und die Milliardenspritze für die Kliniken zu rechtfertigen.

"Die aktuelle Entwicklung belegt, dass dass neben der Abschaffung der Praxisgebühr auch gezielte Finanzhilfen für die Krankenhäuser, Verbesserungen beim Apotheken-Notdienst sowie die geplanten Leistungsausweitungen im Bereich der Prävention und betrieblichen Gesundheitsförderung finanziell vertretbar sind," sagte Bahr am Donnerstag. Dies gefährde die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung nicht.

Überschuss von 850 Millionen Euro bislang in 2013

Die Krankenkassen haben im ersten Quartal dieses Jahres einen Überschuss von rund 850 Millionen Euro erzielt.

Das waren 660 Millionen Euro weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Einnahmen von knapp 48,9 Milliarden Euro standen Ausgaben von gut 48 Milliarden Euro gegenüber.

Die Finanzreserven der GKV gingen auf 27,7 Milliarden Euro zurück. Davon liegen rund 16,4 Milliarden bei den Kassen und 11,3 im Gesundheitsfonds. Für das Abschmelzen gibt es mehrere Faktoren.

Der Finanzminister hat den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds gekürzt, und die Kassen haben rund 700 Millionen Euro an Prämien ausgeschüttet.

Der Anstieg der Leistungsausgaben je Versichertem binnen eines Jahres von 3,5 auf 4,3 Prozent lasse sich laut BMG durch den Wegfall von 450 Millionen Euro an Praxisgebühren erklären.

Die Finanzergebnisse von Krankenkassen und Gesundheitsfonds zusammen betrachtet weisen ein Minus von 915 Millionen Euro auf. Dies liegt an einem Defizit im Fonds von 1,77 Milliarden Euro.

"Saisonübliche Unterdeckung"

Die Unterdeckung im ersten Quartal sei "saisonüblich", heißt es im BMG. Im Laufe des Jahres werde sich die finanzielle Situation des Fonds im Gegensatz zu der der Kassen deutlich verbessern.

Dazu trügen Urlaubs- und Weihnachtsgeld, höhere Tarifabschlüsse und die Anhebung der Renten im Juli bei.

An die Vertragsärzte haben die Kassen im ersten Quartal knapp 400 Millionen Euro mehr überwiesen als ein Jahr zuvor. Das waren 10,4 Prozent mehr je Versichertem.

Das Ausgabenvolumen für die Krankenhäuser ist mit 16,5 Milliarden Euro schwächer gewachsen als erwartet. Das entsprach einem Zuwachs von 2,3 Prozent je Versichertem.

Die Arzneimittelausgaben sind lediglich um 70 Millionen Euro (0,1 Prozent) gestiegen. Dies führt das BMG auf die vergleichsweise vielen Feiertage im Berichtsquartal zurück.

Neuere Zahlen der Apothekerverbände zeigen, dass im feiertagsarmen April die Arzneimittelausgaben wieder einem Plus von elf Prozent je Versichertem zustrebten.

Dimensionen wie Sparkassen

"Die Rücklagen der Gesetzlichen Krankenkassen haben mittlerweile eine Dimension erreicht, die Sparkassen würdig ist", kommentierte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa), Birgit Fischer, die Finanzergebnisse der GKV.

Die Höhe der Rücklagen sei unangemessen, wenn sie unter anderem durch Zwangsmaßnahmen gegen die pharmazeutische Industrie erzwungen würden.

Eine sachliche Grundlage für den erhöhten Rabatt und das Preismoratorium gebe es nicht mehr, sagte Fischer. Beide Instrumente sollen Ende dieses Jahres auslaufen.

Vorsichtig optimistisch schätzt die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, die künftige Entwicklung der GKV-Finanzen ein.

Für 2014 sei sie sich "relativ sicher", dass die Kassen keine Zusatzbeiträge erheben müssten. Spätestens ab 2015 wage sie aber keine Prognose mehr, sagte Pfeiffer vor Journalisten im brandenburgischen Kremmen.

TK Kassen-Krösus

Die Reserven seien sehr unterschiedlich über die Kassen verteilt. Es gebe immer noch einige Kassen, die nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve vorhalten könnten.

Die AOKen haben zwischen Januar und März mit 449 Millionen Euro die höchsten Überschüsse erzielt, gefolgt von den Ersatzkassen mit 134 Millionen Euro.

Die Betriebskrankenkassen sind mit 103 Millionen Euro beteiligt, die Innungskrankenkassen mit 91 Millionen und die Knappschaft-Bahn-See mit 72 Millionen.

Krösus unter den Kassen ist die Techniker Krankenkasse. Sie erwirtschaftete von Januar bis März einen Überschuss von 49 Millionen Euro.

Ende 2012 hatte ihr Polster bei rund 963 Millionen Euro gelegen. Für 2013 hatb die TK angekündigt, rund eine halbe Milliarde Euro an die Versicherten zurückzuzahlen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 24.06.201322:25 Uhr

Jammern auf hohem Niveau?

Da hat der gelernte Bankfachmann extra einen Bachelor- und Master-Abschluss in Gesundheitsökonomie gemacht, um in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besser "rechnen " zu können. Doch kaum stellt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr die GKV-Überschüsse in einer Pressekonferenz vor, gibt es mit festem Blick auf die Bundestagswahlen im September 2013 wieder Desinformation, Gehirnwäsche und Illusionen zugleich. Leistungs-Ausweitungen und Milliardenspritzen für die Kliniken bzw. mehr Geld für Prävention werden füllhornartig ausgeschüttet, statt den Beitragssatz von 15,5 Prozent zu s e n k e n.

Spätestens bei der "betrieblichen Gesundheitsförderung" müsste man stutzen: Das ist k e i n e GKV-Aufgabe, sondern eine versteckte Subvention an die Industrie aus GKV-Beiträgen! Aber es kommt noch dicker: Bundesfinanzminister Dr. jur. Wolfgang Schäuble hat den Bundeszuschuss für die GKV völlig u n b e r e c h t i g t e r w e i s e gekürzt; der Bundesgesundheitsminister selbst hat nur seelenruhig zugeschaut, wie ihm das Fell über die Ohren gezogen wurde. Denn ein jährlicher Bundeszuschuss (zuletzt 14 Milliarden Euro in 2012) dient offiziell der "Mitfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben" in der GKV. Die geplante weitere Kürzung um 4,5 Milliarden Euro bis 2014 gefährdet substanziell und verfassungswidrig die GKV-Beitragsfreiheit bis zum 18. Geburtstag, die Ehepartner-Mitversicherung bzw. den Ausgleich bei geringfügigen GKV-Beiträgen (prekäre Arbeitsverhältnisse, Minijobs, geringe Renten, ALG-I und ALG-II) und die Befreiungen von Verordnungsgebühren, Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen bzw. die sonstigen familienpolitischen Hilfen. Diese staatlichen Ausgaben können keineswegs durch GKV-Beiträge alleine kompensiert werden.

Eine Verdrehung von Tatsachen ist die Ansage aus dem Hause Bahr: "An die Vertragsärzte haben die Kassen im ersten Quartal knapp 400 Millionen Euro mehr überwiesen als ein Jahr zuvor. Das waren 10,4 Prozent mehr je Versichertem." Erstens bezahlen die Kassen Vertragsärzte n i c h t direkt für ihre erbrachten Leistungen, sondern die KVen zahlen nach immer undurchsichtigeren Zahlenschlüsseln aus. Und zweitens ist das exakt d a s Geld, was die Vertragsärzte vorher über die jetzt weggefallene P r a x i s g e b ü h r für die GKV-Kassen 9 Jahre lang zusätzlich eintreiben mussten. Was für ein dümmlicher Versuch, meinen Kollegen/-innen und mir ein virtuelles Honorarplus einreden zu wollen?

Und weil wir gerade bei der Einfältigkeit angekommen sind, was ist das denn für ein Satz, den die gelernte Diplom-Pädagogin und jetzige vfa-Vorsitzende Birgit Fischer da von sich gab: „Die Rücklagen der Gesetzlichen Krankenkassen haben mittlerweile eine Dimension erreicht, die Sparkassen würdig ist“. Das erinnert fatal an jenen Dipl. Päd. ohne Armbanduhr, der, im Jugendzentrum nach der Tageszeit gefragt, passen muss und sagt: "Aber gut, dass wir darüber geredet haben!"

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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