Kommentar zum Booster-Turbo
Großspurige Versprechen auf Kosten der Ärzte
Der von Premier Johnson versprochene Turbo für die Impfkampagne in Großbritannien soll vom eigenen Versagen im Pandemiemanagement ablenken.
Veröffentlicht:In britischen Hausarztpraxen und Kliniken herrscht „Land unter“. Am Dienstag wurde bekannt, dass Hausärzte des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) bis Jahresende alle nicht dringlich erforderlichen Patienten-Konsultationen verschieben können. Das allein schon ist beispiellos in der britischen Nachkriegsgeschichte.
Und Premierminister Boris Johnson tut alles, um mit öffentlichen Statements – wie immer gespickt mit wohlklingenden Soundbites – von seiner eigenen politisch prekären Lage abzulenken.
Die Virusvariante Omikron und die Welle von Neuinfektionen, die derzeit über die Insel hinwegfegen, kommen ihm dabei sehr gelegen. Zwar stimmt es sicherlich, dass die Infektionslage im Königreich dringend neue Schritte zur Eindämmung der Pandemie verlangt. Tatsache ist aber auch, dass die Regierung Johnson in den vergangenen Wochen und Monaten haufenweise Fehler beging, die sich jetzt rächen.
Vollmundige Johnson-Ankündigung
Turbo-Impfen in Großbritannien? Hausärzte sind schon am Limit
Wobei alberne, unerlaubte Weihnachtsfeiern in der Downing Street während des Lockdowns im vergangenen Winter noch das kleinste Übel sind. Warum wurden die Kliniken und Praxen im Sommer, als die Infektionszahlen niedrig waren, nicht besser auf den neuen COVID-Sturm vorbereitet? Klinikpersonal hätte eingestellt werden können und müssen. Hausärzte hätten ebenfalls besser unterstützt werden können, denn gerade sie schultern jetzt zusätzlich die Last der Impfkampagne.
Und warum wurde mit dem Boostern nicht schon früher begonnen? Nichts davon ist geschehen. Stattdessen gab es „Freedom Day“ und damit die Aufgabe fast aller Einschränkungen. Doch es ist so wie immer auf der Insel: Gesundheitspolitiker fahren allenfalls auf Sicht und niemand denkt weit genug voraus. Genau diese Kurzsichtigkeit rächt sich jetzt. Und dürfte Patientenleben kosten.
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