Grundsatzprogramm

Grüne distanzieren sich von Homöopathie

Evidenzbasierung hervorgehoben: Die Grünen haben den Fundamentalstreit um die Homöopathie ad acta gelegt. Im neuen Grundsatzprogramm fordern sie außerdem, dass die Pflege regionaler wird.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Im Jahr ihres 40-jährigen Bestehens haben sich die Grünen ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck klatschen sich am Sonntag nach der erfolgreichen Abstimmung ab.

Im Jahr ihres 40-jährigen Bestehens haben sich die Grünen ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck klatschen sich am Sonntag nach der erfolgreichen Abstimmung ab.

© Kay Nietfeld / dpa

Berlin/Karlsruhe. Die Bündnisgrünen haben sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm, dass die Partei am Wochenende beschlossen hat, zu einer Evidenzbasierung in der medizinischen Versorgung bekannt.

„Leistungen, die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen sind, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden“, heißt es in dem neuen Programm, das bei einem digital abgehaltenen Parteitag beschlossen wurde.

Damit ziehen die Grünen einen Schlussstrich unter eine mit Heftigkeit ausgetragene parteiinterne Debatte. Im Vorfeld des grünen Parteitags 2019 in Bielefeld waren die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Homöopathie eskaliert. Um einen Konflikt auf offener Bühne zu verhindern, wurde das Thema vertagt und mit dem Grundsatzprogramm verknüpft.

Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zählt

Zurückhaltend lautete die Konsensformel damals, die Grünen strebten ein „Gesundheitssystem an, das noch stärker als heute seine medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Leistungen auf ihre Wirksamkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit prüft“. Die jetzt im Grundsatzprogramm gefundene Formulierung ist deutlicher: Gefordert wird, die Versorgung müsse „dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen“ und „den medizinischen Fortschritt berücksichtigen“.

Das Thema Naturheilverfahren wird von der Partei quasi an die Patienten delegiert: „Viele Menschen nutzen Komplementärmedizin, die somit eine relevante Rolle in der heutigen Gesundheitsversorgung spielt“, heißt es. Übrig geblieben von früheren Positionen ist nur die Forderung, die Forschung zur Wirksamkeit von Naturheilverfahren solle „unterstützt“ werden.

Privilegierung der besonderen Therapierichtungen verändern

Die Richtung vorgegeben hatte der Bundesvorstand der Partei im August dieses Jahres. In einem „Gesundheit und Wissenschaft“ betitelten Beschluss wurde angekündigt, die Grünen wollten „die Privilegierung der besonderen Therapierichtungen (....) verändern“.

  • Bioethik: Bei ihrer Position zur Bioethik differenziert die Partei zwischen „roter“ und „grüner“ Gentechnik. In Medizin und biotechnologischen Anwendungen „konnten durch die Gentechnik wichtige Fortschritte erzielt werden, während im Agrarbereich ihre Anwendung zu neuen Problemen geführt hat“. Nicht die Technologie, sondern „ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum“. Das Klonen von Menschen sei auszuschließen, der „strenge Embryonenschutz“, der eine Selektion von Embryonen verhindere, müsse beibehalten werden, heißt es weiter. Als Elemente einer „vorausschauenden Ethik“ werden „Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen“ als maßgebliche Kriterien genannt. Die Skepsis gegenüber reproduktionsmedizinischen Techniken drückt sich in der Formulierung aus, diese könnten „die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Elternschaft (...) erweitern“.
  • Krankenhausversorgung: Die Grünen definieren in ihrem Programm Gesundheitsversorgung als öffentliche Aufgabe. Entscheidend sei dabei, was „medizinisch und menschlich geboten ist“, nicht dagegen die „profitable Behandlung“. Korrekturbedarf sieht die Partei insbesondere bei der Krankenhausversorgung. Hier müsse die „Benachteiligung öffentlicher Träger gegenüber privaten beendet“ und der „Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden“. Gewinnausschüttungen von Kliniken wollen die Grünen „beschränken“. Die Krankenhausfinanzierung müsse „neu gedacht“ werden, heißt es. Kliniken sollten nicht nur „nach erbrachter Leitung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden“. Dafür müsse die Investitionsfinanzierung durch Bund und Länder gemeinsam verbessert werden.
  • Pflege: In der Pflege sollen die Kommunen mehr Werkzeuge an die Hand bekommen, um das Angebot an Pflege und Betreuung vor Ort zu stärken. Daher wollen die Grünen ambulante Wohn- und Pflegeformen ausbauen. Abstriche an der Qualität bei der Heimversorgung oder bei den Beschäftigten „zu Gunsten von hohen Renditen“ wollen die Grünen „unterbinden“.
Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

© Salesforce Germany GmbH

Value Based Healthcare

Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

Kooperation | In Kooperation mit: Salesforce Germany GmbH
Kommentare
Dr. A. Constantin Rocke 25.11.202008:09 Uhr

Kollege Krüger spricht einen zentralen Punkt an, den viele noch nicht verstanden haben. Den Grünen kann man nur zum späten Erkenntnisgewinn gratulieren...

Dr. Manfred Krüger 24.11.202008:22 Uhr

In dem Beitrag wird verschwommen im Zusammenhang mit der Homöopathie von "Naturheilverfahren" gesprochen.
Die Homöopathie ist mitnichten ein Naturheilverfahren, sondern reine Scharlatanerie, die jeder nachvollziehbaren Grundlage entbehrt.

Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
In Deutschland gibt es immer weniger klinische Forschung. Was Deutschland hingegen zu leisten imstande ist, zeigte sich zuletzt bei der COVID-19-Pandemie: mRNA-basierte Impfstoffe wurden schnell entwickelt und produziert.

© metamorworks / stock.adobe.com

Handlungsempfehlungen

Deutschland-Tempo statt Bürokratie-Trägheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Datenschutz ist zugleich auch Praxisschutz

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung