Public Health Index
Zu viel Süßes und zu viel Qualm: Deutschland konsumiert sich krank
Großbritannien und Finnland top – Deutschland abgeschlagen auf dem vorletzten Platz: Das ist das Ergebnis des neu aufgelegten Public Health Index von AOKen und Deutschem Krebsforschungszentrum.
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Süße bunte Limonaden: Deutschland diskutiert seit Jahren über eine Zuckersteuer - bislang ohne Ergebnis.
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Berlin. Die Prävention gesundheitlicher Risiken genießt in Deutschland auch im zehnten Jahr der Geltung des Präventionsgesetzes nicht die allerhöchste Priorität. Das zeigen vom AOK-Bundesverband und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) am Donnerstag vorgelegte Daten.
Demnach wird hierzulande so viel geraucht, Alkohol konsumiert und schlecht gegessen, dass das Land in einem von den AOKen und dem DKFZ gemeinsam neu aufgelegten Public Health Index (PHI) in den genannten Feldern weit hinten in einer Tabelle von 18 Ländern auftaucht.
Fehlender politischer Wille kostet viel Geld
Lediglich auf dem Gebiet der Bewegung reicht es für einen mittleren Platz. Der Index soll Schwachstellen und Verbesserungspotenziale der deutschen Präventionspolitik identifizieren helfen.
Rechenschaftsbericht
Krankenkassen gaben für Primärprävention zuletzt fast 700 Millionen Euro aus
Ein Grund: Der Mangel an Prävention kommt das Gesundheitswesen teuer zu stehen. Die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens werden auf 97 Milliarden Euro, die von Adipositas und Alkoholkonsum auf 57 Milliarden Euro geschätzt. „Prävention ist nicht nur Privatsache oder Frage der Eigenverantwortung“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Dr. Carola Reimann.
Die Politik sei gefordert, die gesunde Wahl zur einfacheren und leichteren Wahl im Alltag zu machen und systematisch gesunde Umgebungen zu schaffen. Eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik aller Ressorts sei der wirksamste Hebel zur langfristigen Stabilisierung des Solidarsystems.
Mit gesundheitsorientierten Steuern steuern
Die Maßstäbe setzen aktuell andere: Großbritannien, Finnland und Irland erreichen im PHI die höchsten Punktzahlen. Dort gibt es zum Beispiel Mindeststandards für das Schulessen, eine gesundheitsorientierte Besteuerung von Zigaretten und Alkohol, es werden rauchfreie Umgebungen für Kinder und Jugendliche geschaffen sowie Einschränkungen bei der Werbung für gesundheitskritische Produkte. Zudem müssen Hersteller von gezuckerten Softdrinks Abgaben leisten.
„Allein 40 Prozent aller Krebserkrankungen gelten als Folge ungesunden Lebensstils“, sagte Professor Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Krebsforschungszentrums. Und davon wiederum mehr als die Hälfte gingen auf das Konto von Tabak, Alkohol, ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel. Gleichzeitig förderten diese Risikofaktoren Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen.
BÄK-Chef wirbt für Health-in-all-Policies
Im Gegensatz zu den Spitzenreitern würden in Deutschland, Österreich und der Schweiz besonders wenige wissenschaftliche Empfehlungen zur Prävention aufgegriffen, so der AOK-Verband.
Dass Länder auch bei geringerer Lebenserwartung höhere Plätze belegen könnten, sei kein Widerspruch. Die hohe Krankheitslast dort aufgrund chronischer Erkrankungen sei schließlich Anlass dafür gewesen, Maßnahmen in der Verhältnisprävention zu beschließen.
Wissenschaftliche Bestandsaufnahme
Bundesärztekammer will Public Health „neu denken“
Alle Gesetzesvorhaben müssten auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen hin geprüft werden, forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt. Die Krankheitslast in Deutschland werde begünstigt von ungesunden Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten sowie hohem Tabak- und Alkoholkonsum.
Zur Prävention gehöre, die Steuern auf Nikotin, Alkohol und Zucker zu erhöhen, um den Konsum zu reduzieren und aus den Mehreinnahmen Präventionsprogramme zu finanzieren, so Reinhardt. (af)









