Gut versorgt zu Hause sterben - warum geht das nicht?

Sterbenskranke haben ein Recht auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung - zumindest auf dem Papier.

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Der Wiesbadener Palliativmediziner Dr. Thomas Nolte kann nicht nachvollziehen, warum viele Krankenkassen bei der Umsetzung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) nicht richtig mitziehen wollen. Der Widerstand ist nach seiner Auffassung "nicht rational begründet, da den Krankenkassen keine Mehrkosten entstehen".

Beim Deutschen Schmerztag in Wiesbaden im März hat Nolte über 250 im vergangenen Jahr gestorbene Patienten berichtet, die vom Zentrum für ambulante Palliativversorgung (ZAPV) in Wiesbaden unter SAPV-Bedingungen betreut worden waren. Nolte ermittelte im Schnitt Kosten von etwa 12 000 Euro pro Patient. Die Techniker Kasse hatte 2004 Berechnungen vorgelegt, nach denen die Regelversorgung von Menschen in der letzten Lebensphase im Schnitt 14 000 Euro kostet - ein klarer Vorteil für das SAPV-Konzept.

Im April 2007 ist die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) neu im Paragraf 37 SGB V mit eindeutigen Zielvorgaben verankert worden. Gesetzlich Krankenversicherte, die an einer weit fortgeschrittenen und unheilbaren Erkrankung leiden und in ihrer letzten Lebensphase einer besonders aufwendigen oder speziellen Versorgung bedürfen, sollen in der eigenen häuslichen Umgebung und in Würde sterben können. Der Fuldaer Palliativmediziner Dr. Thomas Sitte will deshalb das Argument "Kostenersparnis für Kassen" mit Blick auf SAPV nicht gelten lassen. "Es geht nicht darum, ob wir in der Palliativversorgung Geld einsparen", sagt er. "SAPV ist ein Grundrecht, da darf es keine Debatte geben!"

Fakt ist , dass sich die bundesweite SAPV-Vertragslandschaft weiter als ein Flickenteppich präsentiert. Manche Kassen stellen sich der Verantwortung, andere wiederum zögern und zaudern.

Und dort, wo Versorgung zu funktionieren scheint, tauchen neue Probleme auf: "Viele SAPV-Teams rennen sich im Hamsterrad tot, sie überarbeiten sich, brennen aus, die Teams brechen wieder auseinander und alle sind unzufrieden", berichtet Sitte, der viel Erfahrung mit SAPV im Großraum Fulda gesammelt hat. Nachwuchs zu rekrutieren falle schwer. "Palliativschwestern und Palliativärzte wachsen nicht auf den Bäumen; es braucht fünf bis zehn Jahre, bis die Mitarbeiter nachgewachsen sind", so das Fazit des Palliativmediziners. (fuh)

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