Krankenhaus-Report
Hochbetagte Patienten als Herausforderung für Klinikärzte
Die Zahl alter Menschen wächst, die Krankenhausfälle pflegebedürftiger Menschen nehmen deutlich zu. Experten setzen auf eine bessere ambulante Versorgung.
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Eine wachsende Patientengruppe für Kliniken: hochbetagte Menschen.
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Berlin. Rund 1,4 Millionen Krankenhaus-Aufenthalte könnten jährlich vermieden werden, wenn pflegebedürftige Menschen ambulant besser versorgt würden. Das ergibt eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Krankenhaus-Report 2025, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach ist der Anteil hochaltriger Menschen über 80 Jahren an allen Krankenhausfällen in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 13 Prozent im Jahr 2005 auf 22 Prozent in 2023 deutlich gestiegen. Bei den Hochaltrigen liegen meist mehrere Erkrankungen gleichzeitig vor.
Wachsende Belastungen für Kliniken
Zudem haben sie beispielsweise infolge von Demenz oder starker Gebrechlichkeit oft einen besonders hohen medizinischen und pflegerischen Bedarf, auf den die Kliniken in vielen Fällen nur unzureichend vorbereitet sind.
„Insgesamt sehen wir bei diesen Patientinnen und Patienten ein hohes Risiko für Komplikationen, Versorgungslücken oder Brüche in der Versorgung“, sagte Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, bei der Vorstellung des Reports.
Die AOK sieht auf die stationäre Versorgung in diesem Bereich eine wachsende Belastung zukommen, die durch die demografische Entwicklung und Fachkräftemangel noch verstärkt werde.
In den 2050er und 2060er Jahren werden nach Prognosen der Bevölkerungsforscher zwischen 7 und 10 Millionen hochaltrige Menschen in Deutschland leben. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter deutlich.
Verweildauer fast doppelt so hoch
Ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegt aus Sicht der AOK in einer besseren häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Patientinnen und Patienten. Die vom WIdO errechneten 1,4 Millionen vermiedenen Krankenhaus-Aufenthalte entsprächen etwa 36 Prozent aller Krankenhausfälle pflegebedürftiger Personen. Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder sollte deshalb die Versorgung hochaltriger Menschen vor und nach einem Krankenhausaufenthalt verbessert werden, rät die AOK.
Ambulante Geriatrische Zentren
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Auch aus ökonomischen Gründen ist das aus Kassensicht geboten: Die Krankenhaus-Verweildauer ist bei den Patientinnen und Patienten über 80 Jahren mit durchschnittlich 8,1 Tagen fast doppelt so hoch wie bei den Menschen unter 60. Die durchschnittlichen Krankenhaus-Kosten waren bei den über 80-Jährigen mit 3.351 Euro im Jahr 2023 fast sieben Mal so hoch wie bei den unter 60-Jährigen mit 470 Euro.
DKG fordert mehr ambulante Leistungen für Kliniken
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht in den steigenden Zahlen pflegebedürftiger Menschen eine Herausforderung für das Gesundheitssystem. In der Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe mit oft komplexen Krankheitsbildern würden die Kliniken Enormes leisten, teilte die DKG als Reaktion auf den Krankenhausreport mit.
Zugleich warnt der Verband vor einer verkürzten Sicht auf das vermeintlich hohe „Vermeidungspotenzial“ stationärer Behandlungen. „Wenn Pflegebedürftige ins Krankenhaus kommen, dann meist aus gutem Grund – oft, weil ambulante Strukturen nicht verfügbar oder überfordert sind“, sagte DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß.
Wer Krankenhausaufenthalte reduzieren wolle, müsse „für flächendeckend erreichbare, gut finanzierte und personell ausgestattete Alternativen sorgen“. Die DKG versteht darunter vor allem erweiterte Möglichkeiten für ambulante Leistungen an Krankenhäusern.
Geriatrie-Gesellschaft sieht Prävention als Schlüssel
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) plädiert dagegen für eine Stärkung der Altersmedizin im ambulanten Bereich. „Im Vergleich zu anderen Ländern behandeln wir noch immer viel zu viele ältere Menschen in Krankenhäusern, die zu Hause besser behandelt werden könnten“, sagte DGG-Experte Professor Clemens Becker, der auch Mitautor des Krankenhausreports ist.
Ein Schlüssel liege in der Prävention. Um unnötige Krankenhauseinweisungen hochbetagter Menschen zu verhindern, müsse auch die geriatrische Rehabilitation flächendeckend ausgebaut und die Kurzzeitpflege besser koordiniert werden. (KNA/gab)