In Sachsens erster KV-Praxis arbeitet eine Ungarin

Sie kommt von einem ungarischen Dorf: Sachsens erste angestellte KV-Ärztin. Das Landleben war gewollt, die Bürokratie in Deutschland eine hohe Hürde.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Landärztin Vida: "Wir wollten unbedingt aufs Dorf - da waren wir uns alle einig."

Landärztin Vida: "Wir wollten unbedingt aufs Dorf - da waren wir uns alle einig."

© Trappe

ARZBERG. Dr. Zsuzsanna Vida arbeitet gerne in ihrer neuen Praxis. Seit drei Wochen ist die Ungarin jetzt in Arzberg, einer Gemeinde in der Nähe des nordsächsischen Torgau, arbeitet dort in der ersten sächsischen KV-Praxis.

Und doch, bei aller Freude über die im Vergleich zu ungarischen Praxen komfortable Arbeit in Sachsen, ein Wermutstropfen bleibt: der Papierkram. Wesentlich mehr als sie es bisher kannte, sagt Zsuzsanna Vida. Sie sei froh, dass ihr von der KV einiges an Unterstützung zuteil wird.

Jetzt will sie erst einmal die Patienten überzeugen

Die enge Verbindung zwischen der Ärztin und der KV ist in Sachsen einmalig. In Torgau gibt es seit Jahresbeginn die erste Praxis, die nicht von einem Arzt, sondern der KV selbst installiert und unterhalten wird.

Zsuzsanna Vida ist auf zwei Jahre befristet angestellt, sie trägt kein unternehmerisches Risiko. In zwei Jahren, so jedenfalls die Zielsetzung der KV, soll die 50-Jährige die Praxis dann übernehmen. Bis dahin arbeitet sie als Angestellte, unterstützt von zwei Arzthelferinnen, die ebenfalls von der KV eingestellt wurden.

Modell für diese Maßnahme in Sachsen war eine KV-Praxis im thüringischen Gotha, vor drei Jahren bundesweit die erste. In Arzberg reagierte die KV auf eine prekäre Situation.

Bis 2004 gab es hier eine Hausarztpraxis, seitdem mussten sich Patienten in der dünn besiedelten Region nach Ärzten auswärts umschauen. Neuansiedler unter den Hausärzten waren nicht absehbar, zu unattraktiv scheint die dörfliche Region.

Für Zsuzsanna Vida war die Lage der Praxis kein Contra-, sondern ein Pro-Argument. Sie selbst stammt aus dem Dorf Jászfényszaru in Zentralungarn, lebte dort mit ihren fünf Kindern und Ehemann schon lange - und vor allem gern.

Nachdem sie vor einiger Zeit den Entschluss fasste, nach Deutschland zu gehen, gab es auch ein Angebot aus Berlin. Sie musste nicht lange überlegen. "Wir wollten unbedingt aufs Dorf, da waren sich mein Mann, meine Kinder und ich einig."

Die Kinder gehen auf die Schule in Torgau. Vidas Mann versorgt den Haushalt und lernt gerade Deutsch. Die Ärztin selbst wolle jetzt erst mal die Patienten von sich überzeugen.

"Das ist für Leute, die aus dem Ausland kommen, immer erst mal etwas schwieriger", meint sie. 70 Patienten seien in den ersten beiden Wochen gekommen, Tendenz steigend.

Einen mittleren fünfstelligen Euro-Betrag habe die KV Sachsen in Arzberg investiert, erklärt Dietmar Beder von der KV-Bezirksgeschäftsstelle Leipzig.

Voraus ging ein langer Kampf um Bewerber. So meldeten sich auf eine erste Ausschreibung vor Jahren gerade mal zwei Mediziner, ein bulgarischer Arzt sprang dann kurz vor Vertragsschluss ab.

Beim zweiten Versuch setzte die KV dann auf andere Methoden und engagierte einen Headhunter, auch das Torgauer Krankenhaus sucht inzwischen auf diese Art Personal.

Als Zsuzsanna Vida schließlich verpflichtet werden konnte, dauerte es alles nochmal ein wenig länger. Eigentlich nämlich sollte die Praxis schon im Oktober eröffnet werden. Wegen Verzögerungen bei der dringend nötigen Facharztanerkennung musste dann aber die Praxiseröffnung auf Januar verschoben werden.

Schon allein wegen dieser bürokratischen Hürden ist Zsuzsanna Vida sicher, dass sie als Einzelkämpferin wohl kaum eine Praxis eröffnet hätte, von einer Landarztpraxis ganz zu schweigen.

"Es ist sehr schwer, und eigentlich ist alles anders als in Ungarn", sagt sie. Bei vielem seien ihr die beiden Assistentinnen eine Hilfe - und fast täglich steht sie im Kontakt mit der Leipziger KV-Stelle. "Aufgrund der besonderen Umstände geben wir hier auch besondere Unterstützung", sagt Beder.

Ein anderer, wahrscheinlich der schwerwiegendere Grund, hätte es Zsuzsanna Vida wohl zusätzlich erschwert, ohne Hilfe der KV die Versorgung in Arzberg wieder sicherzustellen. Finanziell wäre die Praxiseröffnung für sie nämlich kaum zu bewältigen gewesen.

In Ungarn, sagt sie, verdienen Ärzte nur einen Bruchteil des deutschen Arzteinkommens. Einen für die Praxiseröffnung nötigen Kredit würde sie so in Deutschland kaum bekommen, ist sie sicher.

Und auch hier hätte sie die Bürokratie gefürchtet. "Ich hätte zum Beispiel vom ersten Tag an einen Steuerberater haben müssen, oder einen fließend deutsch sprechenden Ehemann, der Jurist ist."

Ungarn hat schon einen Ärzte-Exodus hinter sich

Ob Zsuzsanna Vida in zwei Jahren die Praxis übernimmt, weiß sie noch nicht, kann es sich aber gut vorstellen. Sie glaubt, dass viele Ärzte aus ihrer Heimat Interesse an Deutschland haben.

Knapp zwei Drittel der ungarischen Ärzte seien bereits ausgewandert oder denken darüber nach, Angebote aus Deutschland kämen da gut an. In Sachsen soll es allerdings erstmal bei einer KV-Praxis bleiben, und das möglichst auch nur die kommenden 23 Monate, so Dietmar Beder.

"Dieses Modell soll die Ausnahme bleiben", sagt er. Einen Arzt, der eine Anstellung sucht, aber perspektivisch keine Praxis eröffnen will, würde die KV nicht einstellen.

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