Ist die Zukunft der Charité gefährdet?

Die Uniklinik Charité erhält vom Berliner Senat nur einen Teil der Gelder für dringend nötige Investitionen. Was bedeutet das für die Uniklinik, was bedeutet sie eigentlich dem Senat?

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Dringender Sanierungsbedarf, marode Bausubstanz: Das Hochhaus-Gebäude der Charité in Berlin.

Dringender Sanierungsbedarf, marode Bausubstanz: Das Hochhaus-Gebäude der Charité in Berlin.

© Foto: dpa

Der Senat folgte mit seinem Beschluss dem Aufsichtsrat der Charité. 195 Millionen Euro stehen der Charité von 2010 bis 2013 zur Verfügung. "Damit können wir die Exzellenz der Charité auf höchstem internationalem Niveau erhalten", sagte Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner.

Die Summe von 195 Millionen Euro deckt jedoch nur einen Teil der nötigen Investitionen ab. Vorrangig sollen damit die dringenden Maßnahmen an den Campi Virchow und Benjamin Franklin finanziert und Vorbereitungen für Baumaßnahmen am Campus Mitte getroffen werden. Ein Baubeginn in Mitte wäre laut Wissenschaftssenat dann ab 2011 möglich. Für den Ersatzbau oder die Sanierung des Bettenhochhauses in Mitte fordert der Aufsichtsrat von der Charité aber noch eine genaue Wirtschaftlichkeitsrechnung und ein Konzept über die verbindliche Zusammenarbeit mit Vivantes.

Charité-Chef Professor Karl Max Einhäupl äußerte zwar Verständnis dafür, dass das Land Berlin angesichts seiner Finanzknappheit nicht alle Investitionen sofort finanzieren könne. Er forderte jedoch, dass zumindest die Entscheidung über die Investitionen jetzt fallen müsse. "Sonst ist es unmöglich, die Zukunft der Charité zu sichern", so Einhäupl im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Der Vorstand der Charité veranschlagt für einen Ersatzbau knapp 350 Millionen Euro. Die Sanierung des maroden Bettenhochhauses würde nach Berechnungen des Vorstands rund 330 Millionen kosten. Die Berechnungen des früheren Charité-Vorstands seien hier deutlich zu knapp ausgefallen. Den Gesamtinvestitionsbedarf beziffert die Charité auf 636 Millionen Euro.

Der Vorwurf des Aufsichtsrats, dass ein schlüssiges Konzept fehlen würde, hat den Charité-Vorstand tief getroffen. "Der neue Vorstand macht seit Beginn seiner Arbeit kaum etwas anderes, als Konzepte zu erarbeiten", sagte Einhäupl. Das Konzept besteht aus mehreren Teilen:

  • Ein Wirtschaftlichkeitskonzept sieht vor, dass das Defizit von 56 Millionen Euro im vergangenen Jahr bis 2011 zu einer schwarzen Null für alle Standorte wird. Für 2009 ist die Verringerung des Defizits auf 19 Millionen Euro angestrebt. "Die Zahlen für das erste Quartal geben uns alle Zuversicht, dass wir das einhalten werden", so Einhäupl.

200 Stellen in der Verwaltung werden abgebaut.

Gespart werden soll unter anderem im Verwaltungsbereich. So sollen durch Fluktuation in diesem Jahr rund 200 Stellen in der Verwaltung der Charité abgebaut werden. Knapp die Hälfte des Stellenabbaus ist laut Einhäupl bereits realisiert. Sparpotenzial sieht der Vorstand zudem im Flächenabbau. Die Außenstandorte sollen komplett abgegeben, freie Flächen an den Hauptstandorten vermietet werden.

  • Ein Strukturkonzept sieht auf den drei klinischen Campi unterschiedliche Schwerpunkte der Versorgung vor. Dabei hält der Charité-Vorstand an den drei klinischen und dem rein wissenschaftlichen Standort in Berlin-Buch fest. Sie ermöglichen aus seiner Sicht unter anderem Flexibilität und ein größeres Forschungs-Volumen. Die standortübergreifende Zentrenbildung ist bereits weitgehend abgeschlossen. Jedes der 17 Zentren ist wirtschaftlich eigenverantwortlich. Daraus erhofft sich der Vorstand ebenfalls Ersparnisse. "Es gilt das Grundprinzip, dass jeder nur soviel Geld ausgeben kann, wie er mit Krankenversorgung, Lehre und Forschung einnimmt", so Einhäupl.
  • Ein Kooperationskonzept mit Vivantes sieht vor, dass die beiden Berliner Klinikriesen im Laborbereich und beim Einkauf eng zusammenarbeiten. Dieser Plan soll noch im laufenden Jahr umgesetzt werden.

Einhäupl weist damit die Vorwürfe des Finanzsenators zurück. Er fordert seinerseits, dass der Senat erkennen müsse, dass die Charité mit ihrer enormen Reputation wesentlich zur Arbeitsplatzsicherung in der Hauptstadt beitrage. "Die Charité ist ein wesentlicher Zukunftsfaktor für Berlin. Sie wirkt als Einnahme- und Arbeitsplatzbeschaffer", so Einhäupl. Allein 2008 habe die Uniklinik Drittmittel von knapp 130 Millionen Euro eingeworben und damit 2900 Arbeitsplätze finanziert. Der Charité-Vorstand sucht nun das Gespräch mit Bürgermeister Klaus Wowereit.

Charité - Struktur und Zahlen

Die Berliner Uniklinik Charité beschäftigt insgesamt rund 15 000 Mitarbeiter. Hervorgegangen aus den drei universitären Kliniken der Humboldt-, Technischen und Freien Universität ist sie inzwischen an drei klinischen Standorten in 17 Zentren mit insgesamt 117 Kliniken organisiert. Den Gesamtinvestitionsbedarf beziffert die Berliner Uniklinik auf knapp 640 Millionen Euro. 2008 hat die Charité ein Defizit von 56 Millionen Euro geschrieben. (ami)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Charité im Regen

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