Kritik an Gesetzesplänen
Arznei-Engpass-Gesetz: KBV-Chef warnt vor Gefahr für Versorgungsstrukturen
Am geplanten Lieferengpassgesetz entzündet sich weiter Kritik: Vor der Anhörung im Gesundheitsausschuss erneuern KBV, Pharmaindustrie, Techniker Krankenkasse und AOK-Bundesverband ihre Kritikpunkte.
Veröffentlicht: | aktualisiert:
Leere Arzneimittelschränke und Medikamentenladen in einer Apotheke: Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Lieferengpässe verhindern.
© Stefanie Oberhauser / EXPA / picture alliance
Berlin. Im Vorfeld der Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) am Montag haben die Verbände des Gesundheitswesens ihre Interessen formuliert. Aktuell weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Knappheiten bei mehr als 400 Medikamenten hin.
Der Gesetzentwurf enthält nicht nur Regelungen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung. Die Koalition sieht damit auch neue Vorschriften für den von den Vertragsärzten organisierten Bereitschaftsdienst vor. Vor einer möglichen Sozialversicherungspflicht im ärztlichen Bereitschaftsdienst warnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
Kabinett winkt Lieferengpassgesetz durch
Antibiotika und Kinderarzneien sollen speziell gefördert werden
Die Regierungspläne, Poolärzte dieser Pflicht zu unterwerfen, berge eine große Gefahr für die Versorgungsstrukturen, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Montag in Berlin.
Nach der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung sind Poolärzte, die sich in der Regel aus Klinikärzten oder Ruheständlern rekrutieren, abhängig beschäftigt.
Der Bundesrat hat die Auffassung der Kassenärzte übernommen. Das Gesetz ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. „Im äußersten Fall droht der Kollaps des ärztlichen Bereitschaftsdienstes“, sagte Gassen. Sinnvoll sei eine Regelung für Poolärztinnen und -ärzte, wie sie bereits für Notärztinnen und -ärzte geschaffen worden sei.
Pharmaindustrie zieht Nutzen in Zweifel
In der Pharmaindustrie wird der Nutzen des Gesetzes in Sachen Versorgungssicherheit in Frage gestellt. „Nach aktuellem Stand löst das ALBVVG nach wie vor die Lieferengpassprobleme nicht“, sagte Dr. Kai Jochimsen, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
Es sei schwer erklärbar, dass nur Kinderarzneimittel und Antibiotika mit dem Gesetz adressiert würden. Viele Arzneien für chronisch erkrankte Menschen wie zum Beispiel Krebsmedikamente würden von dem Gesetzentwurf nicht erfasst.
Dass sich die Politik der Probleme der Arzneimittelversorgung annehme, sei eine gute Nachricht, sagte der Chefvolkswirt de Verbands forschender Pharmaunternehmen Dr. Claus Michelsen im Vorfeld der Anhörung. Es bedürfe einer größeren Vielfalt in den Lieferbeziehungen. Zudem werde ein umfassendes Frühwarnsystem gebraucht. „Die beste Versicherung gegen Lieferengpässe ist eine innovative, international wettbewerbsfähige und Hochmoderne Pharmaproduktion in Deutschland und Europa“, sagte Michelsen
Arzneimittel-Mangel
Pharmaindustrie: Lieferengpassgesetz schafft keine kurzfristige Verbesserung
AOK: Höhere Kosten für Versicherte sind der falsche Weg
Gegen die mit dem Gesetz geplanten finanziellen Anreize für die Industrie wendet sich der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Dr. Jens Baas.
„Pauschale Preiserhöhungen sind aber ein vollkommen ungeeignetes Mittel, um Lieferengpässe zu beseitigen. Wenn die Versichertengemeinschaft mehr für Medikamente zahlt, müssen daran auch verpflichtende Maßnahmen für die Hersteller geknüpft sein, die die Liefersicherheit von Medikamenten auch tatsächlich stabilisieren“, forderte Baas.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Carola Reimann, hieb in die gleiche Kerbe. Sie verwies am Montag darauf, dass Lieferengpässe kein deutsches, sondern ein globales Problem seien. Höhere Kosten für die Versichertengemeinschaft seien daher der falsche Weg. (af)