"Zehn-Punkte-Konsens"

KBV beschwört Einigkeit

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Die KBV-VV versucht die Schrecken eines direkten Eingriffs der Großen Koalition in ihre innere Organisation zu bannen - und hat in einer nicht öffentlichen Sitzung einen "Zehn-Punkte-Konsens" beschlossen.

Von Anno Fricke

BERLIN. Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gelobt Besserung. In nicht öffentlicher Sitzung haben die 60 Delegierten am Freitag einen "Zehn-Punkte-Konsens" beschlossen.

Ziel der Antragsteller aus elf Kassenärztlichen Vereinigungen war "die Bestätigung eines breiten Konsenses in der Vertreterversammlung zu den Kernfragen des KV-Systems."

"Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten stehen für eine ungeteilte KV, in der in den Organen und Gremien unabhängig von der Zugehörigkeit zu Versorgungsebenen ein gleichberechtigter und respektvoller Umgang miteinander gelebt wird", heißt es in der Präambel des Papieres, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Ebenfalls beschlossen hat die Vertreterversammlung einen Auftrag an den Satzungsausschuss, eine Binnenstruktur zu entwickeln, die einen fairen Ausgleich zwischen den Versorgungsebenen ermöglichen soll.

Gemeinsam, einheitlich und gleichberechtigt

Der "Zehn-Punkte-Konsens" lässt sich unschwer als Reaktion auf den Koalitionsvertrag erkennen. In der Vorlage der Regierungsparteien heißt es wörtlich: "Die Vertreterversammlungen von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Kassenärztlicher Vereinigungen werden zu gleichen Teilen aus Haus- und Fachärztinnen und -ärzten gebildet. Über rein hausärztliche Belange entscheiden die hausärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung, über rein fachärztliche Belange die fachärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung. Für angestellte Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung werden wir verpflichtend einen beratenden Fachausschuss vorsehen."

Die Ärzte halten dagegen, dass die KVen im gesetzlichen Auftrag ihre Mitglieder gemeinsam und einheitlich vertreten, unabhängig von der Zuordnung zu einem Versorgungsbereich. Die Interessen angestellter Ärzte sollen gleichberechtigt neben denen der selbstständigen stehen.

Die Strukturen sollen gewährleisten, dass ärztliche und psychotherapeutische Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden können. Einflussnahmen durch freie Berufs- und Arztverbände sollen ausgeschlossen sein.

Selektivverträge gelten den Verfassern der zehn Punkte nicht als Wettbewerber, sondern als Ergänzung des Kollektivvertrags. Der Vorstandsvorsitzende von MEDI, Dr. Werner Baumgärtner, hofft bei der Entwicklung der Hausarzt- und Facharztverträge außerhalb des KV-Systems auf die Unterstützung der KBV-Spitze.

"Wir brauchen ein geordnetes Miteinander der beiden Vertragswelten, um die Rahmenbedingungen für die niedergelassenen Praxen zu verbessern", sagte Baumgärtner. Dazu seien eindeutige Regelungen für die Bereinigung dringend notwendig.

Aktuell würden Praxen, die an Selektivverträgen teilnähmen, durch die herrschenden Bereinigungsregeln in den einzelnen KVen benachteiligt, kritisierte er. Die KV Baden-Württemberg zählt nicht zu den Verfassern des Zehn-Punkte-Konsenses.

Die zehn Punkte im Wortlaut

- Das KV-System steht uneingeschränkt für die Freiberuflichkeit des Arztes und Psychotherapeuten ein.

- Die Interessen von angestellten Vertragsärzten und -psychotherapeuten in der ambulanten Versorgung werden gleichberechtigt neben denen der selbstständig tätigen Ärzte vertreten.

- Kassenärztliche Vereinigungen vertreten im gesetzlichen Auftrag ihre Mitglieder gemeinsam und einheitlich unabhängig von der Zuordnung zu einem Versorgungsbereich.

- Die Interessen von Vertragsärzten und -psychotherapeuten sind im KV-System gleichberechtigt.

- Das KV-System organisiert eine gemeinsame, flächendeckende ambulante Versorgung im gesetzlichen Sicherstellungsauftrag. Hierzu muss die Zusammenarbeit der Versorgungsebenen weiter gefördert werden.

- Sinnvolle Interessenvertretung der Kassenärztlichen Vereinigungen bedeutet die offene und gemeinsame Auseinandersetzung mit den Grundsatzfragen der ambulanten Versorgungsstruktur und deren Weiterentwicklung, auch im Kontext der ambulant-stationären Zusammenarbeit. Bei versorgungsbereich- und sektorübergreifenden Entscheidungen sind die zuständigen Gremien dem Interessenausgleich der Betroffenen verpflichtet.

- Die Organisationsstruktur von KBV und KV muss gewährleisten, dass alle ärztlichen- und psychotherapeutischen Interessen gleichberechtigt einfließen.

- Berufsverbände/freie Arztverbände sind wichtige Interessenvertretungen ihrer Mitglieder. Alle Entscheidungsebenen des KV-Systems halten sich als Repräsentanten aller KV-Mitglieder frei von Bindungen an verbandliche Partikularinteressen.

- Selektivverträge sind eine sinnvolle Ergänzung zum Kollektivvertrag, in denen neue Konzepte vor der Übernahme in die Regelversorgung erprobt werden können.

- Disparitäten in der Vergütung zwischen den Fachgruppen bedürfen der ständigen Überprüfung. Dies schließt auch EBM-Anpassungen ein.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.03.201411:57 Uhr

"Am Aschermittwoch, ist Alles vorbei?"

Als ich am 19.2.2014 diesen zweifelhaften 10-Punkte-Plan unter http://www.kvno.de/60neues/2014/pm_kv_vven/index.html
erstmals publiziert fand, habe ich mich gefragt, ob diese "Zehn Gebote" mit dem Titel "Für ein einheitliches KV-System" nicht auch als Karnevals-Nummer laufen könnten?

Heute, am Aschermittwoch, frage ich mich, wie dieses Musterbeispiel für Schönfärberei, Konflikt- und Perspektiven-Vermeidung auch nach Karneval/Fasching "Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten für eine ungeteilte KV [stehen lässt], in der in den Organen und Gremien unabhängig von der Zugehörigkeit zu Versorgungsebenen ein gleichberechtigter und respektvoller Umgang miteinander gelebt wird."

Ganz so, als gebe es keinen ebenso lücken- wie fehlerhaften neuen Hausarzt-EBM . Als hätte es im Spätherbst 2013 keine konkreten Abwahlanträge gegen den KV-Vorstand gegeben. Als hätten niemals kontroverse, turbulente Vertreterversammlungen stattgefunden. Als hätte es keinen völlig verharmlosenden Umgang mit dem PROGNOS-Gutachten des Spitzenverbands Bund (SpiBu) der GKV-Kassen gegeben.

Das KV-System ist als juristisches Konstrukt einer Körperschaft Öffentlichen Rechts mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben betraut. Mit Budgetierung, Regressierung, Abstaffelung, Regelleistungsvolumina, Facharzt-dominierten Honorarverteilungsmaßstäben und f e h l e n d e r "pay for performance" sind die unter der Dienstaufsicht der Landesgesundheitsministerien stehenden Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) geradezu G a r a n t e n für die A u s h e b e l u n g der "Freiberuflichkeit des Arztes und Psychotherapeuten".

Wer die Worte "gleichberechtigt" (4x), "gemeinsam (3x) und einheitlich", "Zusammenarbeit" (2x) "dem Interessenausgleich … verpflichtet" usw. in einem 10-Punkte-Programm unterbringt, kann nicht gleichzeitig von "Disparitäten" und EBM-Verwerfungen sprechen. Einzig erfreulich ist eine inhaltliche Korrektur bei Punkt acht. Die alte, missverständliche Formulierung: "8. Berufsverbände / freie Arztverbände sind wichtige Interessensvertretungen ihrer Mitglieder. Alle Entscheidungsebenen des KV-Systems arbeiten eng mit ihnen zusammen. Die Mandatsträger des KV-Systems halten sich als Repräsentanten aller KV-Mitglieder frei von Bindungen an verbandliche Partikularinteressen" wurde zusammengestrichen.
Zugunsten der Formulierung: "- Berufsverbände/freie Arztverbände sind wichtige Interessenvertretungen ihrer Mitglieder. Alle Entscheidungsebenen des KV-Systems halten sich als Repräsentanten aller KV-Mitglieder frei von Bindungen an verbandliche Partikularinteressen."

Damit ist die KBV-VV wenigstens auf einen kritischen Punkt, den ich auf "Schätzlers Schafott" unter dem Titel: "Piep, wir haben uns alle lieb - KV-System: Ein 10-Punkte-Nichtplan" eingehend erörtert habe, eingegangen.
Vgl.
http://www.springermedizin.de/kv-system-ein-10-punkte-nichtplan/4973498.html

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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